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KI-Projekte: Wie CIOs die Marketing-Versprechen einlösen

KI gilt als vielen als bahnbrechende Technologie. In dem Beitrag berichten IT-Verantwortliche, wie sie sich auf die Veränderungen durch KI-Projekten vorbereiten.

Künstliche Intelligenz (KI) wird oft als Technologie der Zukunft bezeichnet, die jede Facette eines Unternehmens beeinflussen kann – von der Infrastruktur bis hin zu neuen Geschäftsmodellen. Während das Drehbuch für den Aufbau einer KI-Anwendung immer noch von Google, Amazon und Co. geschrieben wird, ist inzwischen klar, dass CIOs und ihre IT-Abteilungen eine wichtige Rolle als Technologie-Vorbilder, Geschäftspartner und KI-Promoter einnehmen.

Milind Waglé ist CIO bei Equinix, einem weltweit operierenden Internet-Infrastruktur-Provider. Er sieht seine Rolle darin, neuartige KI-Projekte zu identifizieren, die den Data-Center-Betrieb des Unternehmens effizienter machen. Ben Clark, Chief Architect bei Wayfair, gehört zum Data-Science- und Analytics-Teams des Online-Händlers. Seine Aufgabe ist es, die Nutzung von Analytics und Research Tools so benutzerfreundlich wie möglich zu gestalten.

Beide IT-Führungskräfte verantworten eine Vielfalt an KI-Projekten, die so weitläufig und nuanciert sind, wie der Begriff selbst. Damit können sie auch viele Beispiele dafür liefern, wie CIOs einen fruchtbaren Boden für KI-Projekte aufbereiten können.

Künstliche Intelligenz und Effizienz

Waglé, der das globale IT-Team von Equinix leitet, ist ein nüchterner Optimist in Sachen künstlicher Intelligenz. Er sieht durchaus die Möglichkeiten dieser Technologie, weiß aber auch, dass es auf dem weiteren Weg noch vieler Technologieexperten bedarf, um den Hype von der Realität zu trennen und die Marketing-Sprüche zu relativieren.

Er glaubt, dass dies einer der Gründe dafür ist, weshalb CIOs in einer guten Ausgangsposition sind, um die Rolle des KI-Pioniers im Unternehmen zu übernehmen. Ein weiterer Grund? „Angesichts der Tatsache, dass CIOs und ihre Organisationen jedes System und jeden Prozess im Unternehmen kennen, denke ich, dass sie das Wissen ihrer Teams nutzen sollten, um die passenden Anwendungen zu identifizieren und sie dann proaktiv anzugehen“, sagt er.

Waglé hat inzwischen in drei Bereichen KI-Projekte initiiert. Das erste Projekt ist die Modernisierung von Geschäftsprozessen mit Hilfe von Robotic Process Automation (RPA). RPA wird manchmal als das „dumme Ende“ von KI bezeichnet. Man nutzt es, um wiederholende, regelbasierte Aufgaben zu automatisieren. Eine zweite Initiative besteht darin, die von seinen Technologiepartnern entwickelten KI-Fähigkeiten zu analysieren und auf mögliche Anwendungen im Rahmen der Equinix-Toolbox zu überprüfen.

Ein drittes, vielleicht am wenigsten ausgereiftes KI-Projekt ist ein Chatbot für Mitarbeiter. Dessen Name ist Eva, was für Equinix Virtual Assistant steht. Die Benutzeroberfläche wurde intern erstellt. Doch die Basistechnologie wurde auf der Google Cloud Platform entwickelt und verwendet die Google-Bibliotheken zur Verarbeitung natürlicher Sprache und kognitive APIs.

Eva wurde entwickelt, um grundlegende Fragen zu beantworten, zum Beispiel wie man neue Bürogeräte beschafft oder wo sich eines der Rechenzentren des Unternehmens befindet und wie man dorthin gelangt. Hierfür werden verschiedene Quellen suchintensiver Informationen unter einer Oberfläche kombiniert. „Wenn man sich unser Intranet ansieht, ist dies voll von Inhalten, aber es ist nicht leicht zu durchsuchen und die Ergebnisse werden nicht kontextsensitiv dargestellt“, erklärt Waglé.

Eva richtet sich vor allem an neue Mitarbeiter. „Wir haben das Gefühl, dass wir mit diesem Chatbot die Eingliederung von neuen Mitarbeitern verbessern. Die Mitarbeiter können alles fragen, was ihnen in den Sinn kommt und den Grund angeben, warum sie diese Frage stellen. Und schon bekommen sie eine Antwort“, sagt er.

Der Chatbot ist noch in der Entwicklung und laut Waglé ist die Akzeptanz der Mitarbeiter die wichtigste Messgröße für den Erfolg des Projekts. Ein weiteres Kriterium ist Evas Genauigkeit. Beides verbessert sich derzeit fortlaufend. Vor allem die Feedback-Schleife mit den Mitarbeitern ermöglicht eine kontinuierliche Verbesserung. Das ist vor allem deshalb ein wertvolles Element für das KI-Projekt, da sich das Abstimmen der Antwort auf den Fragezweck als deutlich schwieriger herausstellt, als ursprünglich erwartet. „Ehrlich gesagt: Wir haben mehr Selbstlerneffekte erwartet“, gibt Waglé zu. „Doch wir mussten feststellen, dass wir den Chatbot mit wesentlich höherem manuellen Aufwand trainieren müssen, als uns lieb ist.“

Auf die Frage, welche Ratschläge er CIOs geben kann, wie sie eine eigene KI-Projekte aufbauen können, schlägt er vor, dass ein Gesprächsinformationssystem ein schneller und einfacher Gewinn ist, das CIOs hilft, Fuß zu fassen. „Dieses System kann sich über KI-Schnittstellen zu einer mehr transaktionsorientierten Verarbeitung entwickeln“, sagt er.

Automatisieren, Augmented Reality, disruptive Technologie

Waglés Beispiele für KI-Projekte sind intern darauf ausgerichtet, entweder Prozesse zu automatisieren oder die menschliche Intelligenz durch KI zu erweitern. Laut Brent Leland, Mitbegründer und Partner bei Cimphoni Consulting und ehemaliger CIO bei Trek Bicycle, sind Automatisierung und Augmented Reality zwei Möglichkeiten für KI-Projekte in Unternehmen.

Mit Technologien wie RPA und Robotik lässt sich mittels Automatisierung die Effizienz eines Unternehmens verbessern. Laut Leland dauert es zwar ein Jahr, bis man genau bestimmen kann, welche Prozesse an einen Chatbot übergeben werden können, doch danach sei der ROI beträchtlich. „Ein einziger Chatbot kann die Arbeit von ein bis fünf Mitarbeitern übernehmen – und das für weniger als 1.000 Dollar pro Jahr“, sagt er.

Augmented Reality (AR) kann die Leistung und die Produktivität der vorhandenen Ressourcen eines Unternehmens verbessern. „AR ist im Grunde ein Leistungsverstärker“, so Leland. Zu dieser Kategorie gehören Entscheidungs- und Empfehlungs-Engines sowie virtuelle Agenten und Dialog-Plattformen. Leland zählt außerdem automatisch generierte Inhalte dazu, wie Sportberichte, die von Robotern geschrieben werden. Leland glaubt, dass AR alles verändern wird, was mit Aus- und Weiterbildung sowie mit Benutzerhandbüchern zu tun hat.

Die dritte KI-Kategorie hat das Potenzial, die Unternehmen am stärksten zu transformieren. Leland bezeichnet diese als „disruptive KI“. „Im Kern geht es darum, dass Sie Ihre Geschäftsmodelle neugestalten und neue Möglichkeiten schaffen, um weitere Marktanteile zu gewinnen“, erklärt er. Die zugehörigen KI-Anwendungen sind komplex und umfassen disruptive Technologien, wie das Internet der Dinge (IoT) und Computer Vision sowie disruptive Techniken wie Unbundling und Crowdsourcing. Zusammen haben sie das Potenzial, die Marktbedeutung von etablierten Unternehmen empfindlich zu beeinflussen.

Disruptive KI

Der Bostoner Hausgerätehersteller Wayfair setzt auf digitale Technologien. Das E-Commerce-Business des Unternehmens entstand 2002. Weniger als zehn Jahre später begann man mit dem Aufbau eines Data-Science-Programms. „Wir haben es damals noch nicht so genannt. Wir nannten es ‚Kundenempfehlungen‘“, sagt Ben Clark, Chief Architect bei Wayfair, der das Data-Science-Programm für das Unternehmen initiiert hat. Dies ist praktisch eine andere Bezeichnung dafür, dass Vorhersagemodelle, Empfehlungs-Engines und Daten das Herzstück von Wayfairs Business sind. Dazu gehören auch Techniken wie KI und Machine Learning.

Tatsächlich geht es bei den disruptiven Spitzentechnologien wie KI auch um die Unternehmenskultur. So setzt Wayfair trotz des Börsengangs im Jahr 2014 weiterhin auf die Lean-Prinzipien eines Start-ups. Das betrifft vor allem das Time-to-Market und Experimentieren, was bereits zu innovativen Dienstleistungen geführt hat, wie die Suche mit einem Foto. Hierbei lädt der Kunde ein Foto auf die Wayfair-Webseite hoch und eine spezielle Bilderkennungssoftware sucht nach entsprechenden Wayfair-Produkten und listet diese auf.

Clark, der das Data-Science-Team „Leuten überließ, die besser in Mathe sind als ich“, beschreibt seine Rolle als Chefarchitekt des Unternehmens als zentral für Wayfair. Eine seiner Aufgaben besteht darin, die Teams für Data Science und Analytik, die Projekte im Bereich der künstlichen Intelligenz bearbeiten, zu stärken. Er macht das auf zwei Arten. Die erste ist sicherzustellen, dass sie nie auf Daten warten müssen. „Wenn sie eine Theorie haben, die sie erforschen wollen, und wenn sie darauf warten müssen, dass jemand einen großen Datensatz aus einem Datenspeicher in einen anderen verschiebt, damit sie Zugriff darauf erhalten, verlangsamt das uns“, sagt er.

Clark unterhält drei zentrale Datenplattformen für die Data Scientists des Unternehmens. SQL Server wird für die Online-Transaktionsverarbeitung verwendet. „Das typische Problem bei einem solchen Setup ist, dass man nicht alles an einem Ort unterbringen kann, so dass man alles zusammenfügt, wenn man es braucht“, sagt er. Dafür sind Vertica, eine massiv parallel verarbeitende Column-store Datenbank, und Hadoop, ein Parallelverarbeitungs-Framework, gedacht.

Der zweite Weg besteht darin, sicherzustellen, dass es eine aktuelle Version aller Tools gibt, die zur Datenerforschung erforderlich sind. Hierauf müssen alle Data Scientists und KI-Experten Zugriff haben. Wayfairs Data Scientists nutzen zumeist eine Kombination aus RStudio und Jupyter Notebook. Bei RStudio handelt es sich um eine Open-Source-Entwicklungsumgebung für die Programmiersprache R. Jupyter ist eine interaktive Entwicklungsumgebung, die Dutzende Programmiersprachen unterstützt.

Clark sagt, dass die Arbeit der Data Scientists und KI-Fachleuten „eine strategische Fähigkeit“ ist. Er trifft sich regelmäßig mit Abteilungsleitern, um sicherzustellen, dass die Infrastruktur den Bedürfnissen der Data Scientists entspricht. „Wir versuchen wirklich, sie so viel zu füttern, wie sie Appetit haben“, sagt er.

Wer soll die Aufgabe übernehmen?

Waglé hat sein Enterprise-Architektur-Team aus verschiedenen Gründen für den Einsatz von KI gewonnen: Das Team ist in das Geschäft eingebettet und hat so eine einzigartige Perspektive auf die Ziele und Herausforderungen, mit denen es konfrontiert ist. Alle neuen Technologien werden mit diesem Team inkubiert; und das Team hat einen vollständigen Überblick über die Auswirkungen der Unternehmensarchitektur. Außerdem sagt er: „Ich möchte nicht, dass mein Apps-Team und mein Infrastruktur-Team für einige dieser Inkubationsideen, die ich weiterverfolgen möchte, in Frage gestellt werden.“

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