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Warum Data Scientists Geodaten nicht unterschätzen sollten

Data Scientists vernachlässigen noch immer häufig Geodaten. Ohne sie ist es allerdings kaum möglich, vorausschauende und vor allem nachhaltige Entscheidungen zu treffen.

Wirtschaftlich betrachtet, sind Daten eines der kostbarsten Güter unserer heutigen Zeit. Doch ohne die Fähigkeit, sie in einen größeren Kontext zu setzen und dadurch zu Erkenntnissen zu gelangen, die ansonsten im Verborgenen bleiben, sind auch die größten Datenmengen nutzlos.

Genau aus diesem Grund ist auf dem Arbeitsmarkt aktuell kaum jemand so gefragt wie der Data Scientist. Er verfügt nicht nur über die analytische Denkweise, sondern auch über die Datenkompetenz, die es braucht, um selbst große Mengen an Informationen zu analysieren. Die Ergebnisse, die er dadurch erzielt, ermöglichen es dem Unternehmen beispielsweise, Prozesse nachhaltiger zu gestalten oder der Kundschaft einen noch besseren Service zu bieten. So kann es sich von der Konkurrenz abheben und mehr Umsatz erzielen. Kein Wunder also, dass der Data Scientist von einigen sogar als der „sexiest Job of the 21st Century“ gehandelt wird.

Tatsache ist aber, dass viele Data Scientists die Ebene der Geodaten noch immer nicht im nötigen Maße in ihre Analysen einbeziehen. Location Intelligence ist das, was ihnen fehlt. In der produzierenden Industrie liegt ihr Fokus stattdessen häufig nur auf den Informationen, die sich auf die Maschinen oder die verarbeiteten Rohstoffe beziehen, um hier etwaige Schwachstellen oder Optimierungspotenziale aufdecken zu können.

In großen Handelsunternehmen hingegen analysieren Data Scientists das Kaufverhalten der Kunden und ermöglichen es so, noch besser auf ihre Bedürfnisse einzugehen, den nächsten Einkauf zu prognostizieren oder Upselling-Kampagnen zu personalisieren. Welch zentrale Rolle Geodaten spielen, wird dabei häufig unterschätzt. Für die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens kann das fatale Folgen haben. Denn ohne zu wissen, wo etwas passiert, fehlt eine wichtige Komponente, ohne die es kaum möglich ist, einen mehrdimensionalen Rundumblick zu erhalten. Das wiederum erschwert es Unternehmen, innovativ und umweltschonend zu agieren – und zwar über alle Branchen hinweg.

Das fehlende Glied in der Datenkette

Die Einsatzmöglichkeiten von Geodaten sind in der Wirtschaft grenzenlos. Sie erweitern Informationen über Produktionsstandorte oder potenzielle Käufergruppen um eine zusätzliche Dimension und helfen so dabei, Einblicke zu liefern, die ohne sie nicht sichtbar sind.

Wie lässt sich eine Lieferung am schnellsten von A nach B befördern? Und ist der schnellste immer der wirtschaftlichste und nachhaltigste Weg? Fragen wie diese lassen sich mit Geodaten leichter beantworten. Denn es kann zwar der Fall sein, dass eine bestimmte Route von allen möglichen die kürzeste Strecke ist – vielleicht staut sich aber gerade hier zu den relevanten Uhrzeiten der Verkehr, was am Ende nicht nur länger dauern, sondern auch unnötig Ressourcen verschwenden würde.

Auch bei der Frage nach dem Einzugsgebiet von Supermärkten oder anderen Geschäften ist die Nutzung von Geodaten essenziell. Hier können sie bei der Suche nach dem besten Standort unterstützen. Denn während es auf den ersten Blick möglicherweise so aussieht, als wäre im direkten Umkreis noch keine Einkaufsmöglichkeit gegeben, könnte eine nahegelegene Schnellstraße sogar eine kürzere Fahrtzeit zur Konkurrenz im angrenzenden Stadtteil bedeuten. Ohne Geodaten bleiben Erkenntnisse wie diese aus, was im schlimmsten Fall zu einer Fehlinvestition einer Supermarktkette führt.

Doch das, was die Analyse von Geodaten für die Wirtschaft leisten können, geht weit darüber hinaus. Die Umbaumöglichkeiten eines Industriegeländes oder die Wahl des passenden Rohstofflieferanten lassen sich auf diese Weise ebenfalls ermitteln, wobei vor allem der Faktor Nachhaltigkeit eine immer größere Rolle spielt. Nicht nur Konsumenten erwarten zunehmend, dass die Wirtschaft sich für umweltfreundlichere Herstellungs- und Transportalternativen einsetzt. Auch die Unternehmen selbst tun gut daran, sich entsprechend aufzustellen und vermehrt in nachhaltige Prozesse zu investieren.

Fakt ist: Der Klimawandel schreitet unaufhörlich voran. Und die Auswirkungen von Starkregenereignissen oder Waldbränden, wie wir sie vermehrt erleben, werden zukünftig die Wirtschaft negativ beeinflussen. Ein Beispiel dafür ist die Holzknappheit, die unter anderem wiederkehrenden Dürren und der daraus resultierenden Verbreitung des Borkenkäfers zuzuschreiben ist. Nicht nur das Geschäft internationaler Konzerne wie IKEA gerät dadurch ins Stocken. Auch deutsche Bau- und Handwerksbetriebe können aufgrund des Rohstoffmangels ihre Aufträge nur verzögert ausführen.

Alle Informationen im Blick

Den Überblick über Risiken wie den Rohstoffmangel zu behalten, ist extrem wichtig, da dies für viele Unternehmen eine potenzielle Bedrohung ihrer Geschäftsfähigkeit darstellt. Wie schnell sogar Prozesse und Transportwege, die bisher als äußerst sicher und zuverlässig galten, zusammenbrechen können, haben Ereignisse wie der Ausbruch der Coronapandemie oder die Blockade des Suezkanals bewiesen. Unternehmen, die nicht dazu in der Lage sind, etwaige Ausreißer frühzeitig zu erkennen, laufen Gefahr, sich zu verkalkulieren und deshalb hinter der besser aufgestellten Konkurrenz zurückzubleiben.

Marko Prisky, Esri

„Die Einsatzmöglichkeiten von Geodaten sind in der Wirtschaft grenzenlos. Sie erweitern Informationen über Produktionsstandorte oder potenzielle Käufergruppen um eine zusätzliche Dimension.“

Marko Prisky, Esri

Um das zu vermeiden und in Zukunft innovativ und nachhaltig wirtschaften zu können, ist die Erkenntnis, welcher enorme Wert tatsächlich in Geodaten verborgen liegt, der erste wichtige Schritt.

Doch das notwendige Verständnis in Kombination mit der analytischen Denkweise der Data Scientists allein reicht nicht aus, um große Datenmengen auszuwerten und potenzielle Risiken bereits im Vorfeld zu erkennen. Was sie benötigen, um die Theorie in die Praxis umzusetzen, ist vor allem die richtige technologische Grundlage – ohne sie ist es nicht möglich, vollautomatische Analysen in Echtzeit durchzuführen und so datenbasierte Entscheidungen abzuleiten.

Mit passenden Technologien sind sie in der Lage, unternehmensinterne Informationen problemlos um die Dimension der Geo- und Umweltdaten erweitern. Diese Erweiterung der Business Intelligence um den Raumbezug ist das, was Location Intelligence im Kern bedeutet.

Dabei lohnt es sich, einen Blick über den eigenen Tellerrand hinaus zu werfen und die Daten anderer Akteure wie beispielsweise die von Produzenten, Lieferanten oder einzelner Standorte einzubeziehen. Die Kombination und Visualisierung dieser verschiedenen Informationsebenen sind wichtige Werkzeuge, um Zusammenhänge auf einen Blick sichtbar zu machen. Nur so ist es Data Scientists möglich, sich einen dauerhaften Rundumblick zu verschaffen, durch den sie Trends frühzeitig erkennen und schnellstmöglich Gegenmaßnahmen, wie zum Beispiel die Wahl einer Alternativroute oder die Anpassung der Bestellmenge eines bestimmten Produkts, einzuleiten. Auf manuelle Weise oder mit Unterstützung notdürftig kombinierter Tools ist das quasi unmöglich, und die wichtigsten Erkenntnisse, die in den Daten schlummern, bleiben weiterhin im Verborgenen.

Über den Autor:
Marko Prisky studierte Geodäsie und Geoinformationswesen an der Universität der Bundeswehr in München. 2007 wechselte er zu Esri DACH, wo er heute als Director Product and Portfolio Management tätig ist. In dieser Position verantwortet er seit 2021 die Positionierung, Steuerung und den Erfolg des gesamten Technologieportfolios von Esri in Deutschland und der Schweiz.

Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.

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