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Von der Datenintegration zum digitalen Ökosystem

Digitalisierte Verkaufsvorgänge mit konsequenter Datenintegration sparen Kosten und ermöglichen Eingriffe in den Bestellvorgang, um etwa Mengen oder Lieferzeiten anzupassen.

Die Herangehensweise mittelständischer Unternehmen bei Digitalisierungsprojekten ändert sich aktuell fundamental. In den meisten Unternehmen gehen Digitalisierungsprojekte bisher von den bestehenden Strukturen und Prozessschritten aus. Maschinen werden mit Sensoren versehen, die Daten liefern, über die Effizienzgewinne erwirtschaftet werden, zum Beispiel durch optimierte Wartung, verbesserte Auslastungssteuerung, höhere Qualität oder geringere Fehlertoleranzen. Logistikabläufe werden miteinander verbunden, um allen Parteien Daten früher, umfassender und möglichst fehlerfrei zur Verfügung zu stellen. Das verkürzt Lieferzeiten, Lagerhaltung und Wegstrecken, manchmal begünstigt dies eine Optimierung von Just-in-time-Produktionsabläufen.

Digitalisierte Verkaufsvorgänge mit einer konsequenten Datenintegration von der Bestellung beim Händler über die Verfügbarkeitsabfrage beim Lageristen und die Ankündigung von Lieferterminen bis zu Fakturierung, Auslieferbestätigung und Bestätigung des Zahlungseingangs sparen Kosten und ermöglichen auf Basis der durchgehenden Transparenz des aktuellen Status spätere Eingriffe in den Bestellvorgang – zum Beispiel, um Mengen oder Lieferzeiten der aktuellen Entwicklung anzupassen. Daraus entstehen Vorteile für agileres Management und eine kurzfristige Anpassung an Marktentwicklungen.

Datenintegration: einzelne Prozessschritte optimieren

All diese Schritte bieten im Sinne einer klassischen Digitalisierung aus dem bestehenden Kerngeschäft heraus vielfältige Vorteile. Der Weg, den Unternehmen hier bisher gehen, beginnt beim aktuellen Ist-Zustand. Bestehende analoge Prozessschritte in der Produktion, der Logistik, im Vertrieb oder bei der Zusammenarbeit mit Partnern und Kunden werden Schritt für Schritt digitalisiert. Dann werden die entstehenden Daten miteinander verknüpft und für den nächsten Prozessschritt zur Verfügung gestellt.

So können umfassende Updates von Preislisten eines Herstellers per Knopfdruck automatisiert in jeweils unterschiedliche Katalogsysteme von dutzenden oder auch hunderten von Händlern integriert werden. Und so lassen sich Finanzdaten von eigenen Niederlassungen wie von externen Partnern regelmäßig über verschiedene Wege und aus verschiedenen Systemen zum Beispiel ins eigene Managementinformationssystem integrieren und aktuell halten.

An all diesen Stellen werden bestehende Prozesse oder Prozessschritte digitalisiert und miteinander verbunden – man sucht in solchen Fällen technische Lösungen für bereits bestehende Teilschritte und optimiert bestehende Strukturen. Das Problem dabei: Bisherige Strukturen werden nicht hinterfragt und die neue Technik kann nur einen Teil ihres Potenzials entfalten, weil Daten und Prozesse getrennt behandelt werden. Denn zahlreiche Frontend-Kanäle, jede Menge Backend-Prozesse und eine Flut an Einzeldaten bedeuten zahlreiche Silos, jede Menge Lücken und Fehler.

Prozessautomatisierung: der Blick auf das digitale Ökosystem

Deswegen verfolgen Unternehmen immer häufiger einen anderen Weg. Das Zauberwort lautet Prozessautomatisierung. Die neue Ausgangsfrage ist: Wie arbeiten Menschen zusammen und wie kann diese Arbeit mit intelligenter Technologie unterstützt werden?

Unternehmen entwerfen mit dieser Perspektive ein digitales Ökosystem, das von den menschlichen Fähigkeiten ausgeht und integrierte Geschäftsprozesse um den Menschen herum entwickelt – im eigenen Unternehmen und darüber hinaus. Es geht also nicht nur um digitale Systeme, sondern ebenso um Unternehmen, Organisationen und Menschen sowie deren Beziehungen zueinander.

Fünf grundlegende Schritte helfen, diesen Weg zu planen:

Schritt 1: Geschäftsprozess analysieren und modellieren

Am Anfang steht die Frage nach den möglichen Nutzern von vorhandenen oder zu erhebenden Daten. Das können Vertriebspartner sein, Mitarbeitende an unterschiedlichen Standorten, Lieferanten von Waren oder Dienstleistungen oder Kunden. Gemeinsam mit diesen Key Usern werden der jeweilige Informationsbedarf (welche Daten werden von wem wann wofür und in welcher Form benötigt), der Soll-Ablauf und die Meilensteine des jeweiligen Prozesses definiert. Dabei werden die Geschäftsobjekte (also zum Beispiel Kunden, Produkte und Bestellungen) und deren Lebenszyklus möglichst präzise beschrieben.

Schritt 2: Beteiligte einbinden

Digitalisierte Prozesse leben von Integration. Deswegen sollten die eigenen Systeme mit den Partnersystemen verbunden werden. Moderne Systeme für Datenintegration basieren auf No-Code-Technologie und ermöglichen ohne Programmieren die einfache Integration von Daten mit unterschiedlichsten Formaten.

Wie auch immer Datenformate und Kommunikationskanäle aussehen: Hier ist ein Höchstmaß an Flexibilität und intuitivem Arbeiten gefordert, denn im laufenden Prozess ergeben sich praktisch immer Erkenntnisse, die eine flexible Anpassung der Datenströme erfordern. Auch im Rahmen agiler Geschäftsmodelle sind Systeme, die – zum Beispiel durch die Einbindung von Citizen Developern – schnelle Änderungen erlauben, vorteilhaft.

Neben der Verknüpfung von Backend-Systemen legen Kunden, Geschäftspartner und Mitarbeitende immer größeren Wert auf benutzerfreundliche und intuitive Oberflächen auf Frontend-Seite. Alternativ bieten sich heute je nach Anwendung neben der bewährten Benutzeroberfläche auch Voice Assistants, Gestual Interfaces und Mid Air Tactile Feedbacks als intuitive Eingabesysteme an.

Steffen Brehme, Lobster DATA GmbH

„Zahlreiche Frontend-Kanäle, jede Menge Backend-Prozesse und eine Flut an Einzeldaten bedeuten zahlreiche Silos, jede Menge Lücken und Fehler.“

Steffen Brehme, Lobster DATA GmbH

Schritt 3: Vorgänge automatisieren und orchestrieren

Das eigentliche Ziel ist es, Kontrolle zu gewinnen über bereichsübergreifend vernetzte Prozesse im eigenen Unternehmen und darüber hinaus zu gestalten. Wenn Soll und Ist einmal definiert sind, kann ein digitales Ökosystem den Teilnehmenden durch den hohen Grad an Vernetzung und die große Menge an angebundenen Daten jederzeit Informationen über den tatsächlichen Stand bieten, zum Beispiel indem Verantwortliche bei Abweichungen vom Soll automatisch per Mail, SMS oder Messenger Dienst informiert werden.

Auf dieser Basis können Unternehmen Prozesse steuern und auch automatisiert auf viele vordefinierte Situationen reagieren – beispielsweise Nachbestellungen von Rohstoffen oder Halbfertigprodukten bei einer bestimmten Relation aus Auftrags- und Lagerbestand nach dem automatischen Vergleich von Preisen und Liefermengen bei mehreren ans Ökosystem angebundenen Lieferanten. Unter Umständen kann das eigene Vertriebssystem dem ebenfalls angebundenen Kunden auf dieser Basis gleich ein attraktives Angebot machen. Eigene operative Systeme können um maßgeschneiderte Datenportale und externe Zugänge für Kunden und Partner erweitert werden.

Schritt 4: Dokumente integrieren

Für viele Vorgänge in Industrie und Handel sind Labels, die exportiert, auf dem Bildschirm angezeigt oder gedruckt werden müssen, ein unentbehrlicher Teil von Prozessen. Oft stammen die Informationen dazu aus Datenquellen mit unterschiedlichen Formaten. Eine nahtlose Integration solcher Dokumente ist auf operativer Ebene deshalb besonders wichtig.

Schritt 5: Überblick schaffen und Transparenz gewinnen

Wenn das neu installierte Ökosystem auf der operativen Ebene läuft, sollte eine statusabhängige Übersicht über jedes Geschäftsobjekt permanent mittels individuell gestaltbarer Dashboards maßgeschneiderte Reportings produzieren, die sich im besten Fall bei vordefinierten Kennzahlen selbständig melden. Arbeiten diese Dashboards in (Nahezu-) Echtzeit, ermöglichen sie zudem die unmittelbare Überwachung von Auswirkungen auf Systemänderungen und können als Tool ständiger Optimierung dienen.

Wer statt der Datenintegration die Prozessintegration in den Mittelpunkt stellt, hebt die bisher so oft praktizierte getrennte Behandlung von Daten und Prozessen auf. Voraussetzung dafür ist eine vollständige konsistente Datenbasis, die Transparenz schafft und Prozesse sauber abbildet. So bietet sich die Möglichkeit, steuernd in Prozessketten einzugreifen, Auswirkungen auf Änderungen Prozess übergreifend nachzuvollziehen und im Sinne eines digitalen Ökosystems von der Modellierung übergreifender Zusammenhänge zu profitieren.

 

Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.

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