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Time Sensitive Networking (TSN) treibt Industrie 4.0 voran

Time Sensitive Networking (TSN) bietet für Industrie 4.0 Vorteile wie reservierte Bandbreiten sowie garantierte Quality of Service (QoS) und unterstützt echtzeitfähige Protokolle.

Viele Industrieunternehmen haben IoT-Projekte (Internet of Things) erfolgreich eingeführt und profitieren jetzt von den Ergebnissen. Harley-Davidson beispielsweise steigerte mit seiner Smart Factory den Gewinn um vier Prozent und verkürzte den Zeitraum zwischen Bestellung und Fertigung um den Faktor 36. Rolls-Royce, Toyota und Royal Dutch Shell sind nur einige weitere Beispiele für Unternehmen, deren IoT-Investitionen sich durch intelligente Anlagen und verbesserte Effizienz innerhalb von Monaten amortisiert haben.

Mit Hilfe der Auswertung von Daten der IoT-Sensoren konnten die Industrieunternehmen die Leistung ihrer Anlagen optimieren, Anomalien erkennen und notwendige Reparaturen frühzeitig durchführen (Predictive Maintenance), um Ausfallzeiten deutlich zu reduzieren. Hersteller realisieren auch neue Umsatzquellen mit Dienstleistungen auf Basis von Abonnements für die von ihnen verkauften Produkte.

Das ist jedoch nur ein Bruchteil dessen, was das industrielle Internet of Things (IIoT) beziehungsweise Industrie 4.0 für die Fertigungsunternehmen wirklich bieten kann. Time Sensitive Networking (TSN), ein vielversprechendes Paradigma für die Vernetzung im IIoT, erweitert das Potenzial von IoT weit über die vorausschauende Wartung hinaus in den Kern industrieller Steuerungs- und Antriebssysteme. Als Layer-2-Technologie hilft TSN Unternehmen, eine solide digitale Basis für IoT-fähige Dienste zu schaffen und höhere Gewinne zu erzielen.

In einer intelligenten Fabrik enthalten die IoT-Sensorinformationen nicht nur Daten aus der Fabrikhalle, sondern auch Informationen aus den Steuerungssystemen der Anlagen sowie Telemetrie- und Diagnose-Informationen. IoT-Anwendungen sind heute vor allem darauf ausgerichtet, Erkenntnisse aus diesen Telemetrie- und Diagnosedaten zu gewinnen. Das Problem ist, dass Firmen aufgrund enger Regelkreise auf diese Daten sofort reagieren müssen (typischerweise innerhalb von Reaktionszeiten von unter einer Millisekunde).

Außerdem hat jeder industrielle Anwendungsfall (man denke an eine Bohrplattform für Öl oder Gas im Vergleich zu einem Motorenwerk) seine eigenen zeitlichen Anforderungen. Offene IP-/Ethernet-Standards wurden nie für diese zeitsensiblen und hochgradig deterministischen Regelkreise entwickelt.

Proprietäre Protokolle

Um die Funktionen für die Steuerung und Betätigung umzusetzen, verlassen sich Unternehmen nach wie vor auf proprietäre Feldbusprotokolle, da sie schlicht und einfach nicht auf sie verzichten können oder wollen. Dadurch erweitern sie aber ihre Abhängigkeit von bestehenden Altsystemen und fragmentierten Netzwerken. Diese Zwangslage wird im folgenden Auszug aus dem Leitfaden Practical Industrial Internet of Things Security deutlich:

„Das IEEE 802.1 Ethernet ist zwar eine weit verbreitete, kostengünstige Layer-2-Technologie, entspricht aber nicht den deterministischen Leistungsanforderungen von industriellen Anwendungen für die Steuerung und Automatisierung. Um die entsprechende Leistung zu erreichen, setzen die meisten Industrieunternehmen nach wie vor Feldbus-Technologien und deren proprietäre Erweiterungen von Ethernet wie EtherCat, Profinet oder Sercos III ein. Diese proprietären Protokolle sind nicht auf Sicherheit und Interoperabilität ausgelegt. Das Ergebnis sind fragmentierte industrielle Netzwerke, die sich nicht mit fortschrittlichen Analytics-Anwendungen des industriellen Internets und von Industrie 4.0 integrieren lassen.“

TSN bietet großes Potenzial für das IIoT

Time Sensitive Networking (TSN), eine Weiterentwicklung des Ethernet-Standards IEEE 802.1, löst dieses Problem direkt. TSN-Funktionen für die zeitliche Synchronisation  und die Disposition des Datenverkehrs sind so konzipiert, dass sie hochgradig deterministische und straffe Regelkreise abdecken. Sowohl Early Adopters als auch Unternehmen, die neu im IoT sind, können mit Hilfe von TSN bestehende OT-Infrastrukturen (Operational Technology) um offene, standardbasierte IP/Ethernet-Technologien erweitern. Ergebnis ist eine IT-/OT-Konvergenz im gesamten Unternehmen mit Mehrwerten wie höhere Effizienz, bessere Produktivität und Innovationen. TSN bietet zudem Vorteile wie reservierte Bandbreiten, garantierte Quality of Service (QoS) und eine geringe Latenz bei der Datenübertragung. Der Standard unterstützt zudem echtzeitfähige Protokolle.

Bei TSN geht es nicht nur darum, den Industriebetrieb mit standardbasierten Technologien auf mehr Effizienz zu trimmen. Time Sensitive Networking verwendet ein SDN-Konzept (Software Defined Networking) für die automatisierte Einrichtung und Konfiguration von Geräten und Netzwerkgeräten (definiert in IEEE 802.1Qcc). So kann die TSN-fähige Infrastruktur auch die Leistungsfähigkeit intelligenter, softwaredefinierter Funktionen in der gesamten digitalen Struktur eines Unternehmens nutzen. Nicht zuletzt lassen sich mit Hilfe von TSN proprietäre Feldbustechnologien ablösen, die nie im Hinblick auf Sicherheit konzipiert wurden. Damit erhöht sich die Sicherheit im industriellen IoT.

Im Moment befindet sich das innovative TSN noch im Teststadium und im Proof of Concept. Angesichts der vielen Vorteile dürfte es jedoch nicht mehr lange bis zum großflächigen Einsatz der Technologie dauern.

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