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Deepfakes im Visier: Die Herausforderungen für Versicherer
Deepfakes und manipulierte Inhalte sind für Versicherer eine große Herausforderung, insbesondere bei Schadensmeldungen. KI-Technologie hilft bei der Abwehr der Betrugsversuche.
Es ist mittlerweile bekannt, dass nicht nur Sach- und Schadenversicherer generative KI zur Modernisierung ihrer Abläufe nutzen, sondern auch Betrüger. Immer häufiger werden bei Versicherern betrügerische Schadensmeldungen eingereicht, bei denen Bilder und Dokumente mit KI manipuliert wurden. Aber auch andere KI-getriebene oder KI-unterstützte Täuschungen üben Druck auf Versicherer aus. Sollte sich der deutsche Markt nicht rechtzeitig schützen, ist ein technologisches Wettrüsten zwischen Betrügern und Versicherern zu erwarten.
Mit dieser Herausforderung stehen deutsche Versicherer aber nicht allein da. Im Vereinigten Königreich meldeten Versicherungsgesellschaften kürzlich einen Anstieg von 300 Prozent bei Kfz-Schadensfällen, die durch KI-manipulierte Fahrzeugbilder belegt waren. Schadensabwicklungsteams verzeichnen ebenfalls einen Anstieg von Schadensdokumenten, die mit generativer KI erstellt wurden. Darunter auch gefälschte ausländische Krankenhausrechnungen, die bei Betrugsfällen im Bereich Reiseversicherungen verwendet werden. Parallele Entwicklungen zu dem rapiden Anstieg aus dem Vereinigten Königreich könnten in Deutschland ebenfalls Realität werden. Umso wichtiger ist es daher, dass Versicherungsunternehmen rechtzeitig proaktive Maßnahmen ergreifen, um sich gegen diese Betrugsmasche zu wappnen.
Während mit Tools wie Photoshop erstellte Shallowfake-Bilder schon seit Langem ein Problem darstellen, sind Deepfakes besonders beunruhigend. Denn generative KI macht es einfacher denn je, gefälschte und dennoch äußerst realistische Bilder, Videos, Audiodateien und Dokumente zu erstellen. Betrüger können fiktive Schäden geltend machen, wie auch neue Policen zu Eigentum abschließen, welches in Realität gar nicht existiert, indem sie weitverbreitete Tools wie DALL-E oder Midjourney benutzen, um Unterlagen zu fälschen.
Allerdings sind cyberkriminelle Netzwerke nicht die einzigen Täter. So rechtfertigen sogar normale Versicherungsnehmer betrügerische Ansprüche als Entschädigung für jahrelange Prämienzahlungen. Mittlerweile führt der zunehmende Zugang zu generativen KI-Tools zu einem eskalierenden Wettrüsten zwischen Versicherern und Betrügern.
Kostenfolgen von Deepfake-Angriffen in der Sach- und Unfallversicherung
Weltweit belaufen sich die Schäden durch Versicherungsbetrug in allen Formen auf über 120 Milliarden US-Dollar pro Jahr, 10 Prozent aller Schadensfälle sind als betrügerisch einzustufen. Laut der amerikanischen Coalition Against Insurance Fraud (Allianz gegen Versicherungsbetrug) summieren sich jährlich rund 45 Milliarden US-Dollar Verluste auf Sachversicherungen (Hausrat, Kfz, Gewerbe und so weiter). Demnach kosten diese Straftaten einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer bis zu 700 US-Dollar an zusätzlichen Prämien pro Jahr. In dieser Hinsicht sind die Vereinigten Staaten aber keineswegs ein Einzelfall.
Der genaue Prozentsatz betrügerischer Schäden, die Deepfakes und andere Formen manipulierter Inhalte beinhalten, lässt sich nur schwer bestimmen. Eine Branchenumfrage ergab jedoch, dass 19 Prozent der Schadenbearbeiter glauben, dass KI und andere digitale Tools bei 25 Prozent der betrügerischen Schäden eine entscheidende Rolle spielen. Während 65 Prozent glauben, dass KI in 5 bis 10 Prozent aller Fälle eine Rolle spielt.
Deepfake-Betrug: Wo die Gefahr am größten ist
- Geringfügige Schäden mit hohem Schadenaufkommen: Autoglas, wetterbedingte Dachreparaturen und kleinere Wasserschäden werden ausschließlich anhand von Fotos begutachtet und sind daher anfälliger.
- Digitale Direktanbieter: Erstschadenmeldungen über Apps oder Online-Portale sind ein Wettbewerbsvorteil, bieten aber auch wenige Hürden, die Betrüger normalerweise abschrecken.
- Schadenmeldungsspitzen im Katastrophenfall: Nach einem Ereignis kann es zu Spitzenbelastungen kommen und Deepfake-Bilder können unbemerkt bleiben, wenn die Aufmerksamkeit der Sachbearbeiter strapaziert ist.
Zunehmende Risiken durch Deepfakes
Eine Studie des Daten- und Technologieunternehmens Experian geht auf die Veränderung der Betrugslandschaft durch generative KI ein. In der Studie wurden 449 leitende Verantwortliche für die Betrugsbekämpfung sowie Entscheidungsträger aus diversen Branchen wie Finanzdienstleistungen, Telekommunikation und E-Commerce in acht Ländern befragt. Dabei gaben 76 Prozent der Befragten an, dass generative KI die Betrugslandschaft für immer verändert habe. Demnach habe der Aufschwung generativer KI zu einer Industrialisierung des Betrugs geführt, so die Studie. Auch wenn der Einsatz von Deepfake-Bildern bei Versicherungsbetrug viel Aufmerksamkeit erregt, sind sie nicht die einzige Masche, die Betrüger mithilfe generativer KI nutzen, um Versicherer zu täuschen.
Laut dem 2025 Voice Intelligence & Security Report von Pindrop gab es im letzten Jahr einen Anstieg von 475 Prozent bei Angriffen mit künstlichen Stimmen, die auf Callcenter von Versicherungsunternehmen abzielten. Bei diesen Betrugsmaschen leiten Anrufer mit gefälschten Stimmen Schadensersatzzahlungen um, oder manipulieren Sachbearbeiter dahingehend, Anmeldedaten preiszugeben.
Der IBM Data Breach Report 2025 schätzt, dass bei 35 Prozent aller KI-gestützten Social-Engineering-Angriffe auf Unternehmensnetzwerke Deepfakes involviert sind. Die durchschnittlichen Kosten eines erfolgreichen Angriffs auf US-Unternehmen stiegen im vergangenen Jahr um 9 Prozent auf einen Rekordwert von 10,22 Millionen US-Dollar pro Vorfall – während der weltweite Durchschnitt bei 4,44 Millionen US-Dollar lag. Durch Deepfakes und andere Formen böswilliger KI wird „das Vertrauen untergraben und die Betriebskosten von Versicherern in die Höhe getrieben“, warnt Swiss Re. Während laut der Experian-Studie 61 Prozent der befragten Unternehmen im Vergleich zum Vorjahr höhere Verluste durch Betrug erlitten.
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„Generative KI ist in der Schaden- und Unfallversicherung nicht mehr wegzudenken. Akteure, die dieselbe Technologie zu betrügerischen Zwecken einsetzen allerdings auch. Daher ist mit verschärfter regulatorischer Kontrolle, beschleunigtem Datenaustausch in Konsortien und Ökosystemen sowie nahtloseren Deepfake-Abwehrmaßnahmen zu rechnen.“
Laura Drabik, Guidewire
Vier Strategien, um Betrügern einen Schritt voraus zu sein
Das Gleichgewicht in einem derart asymmetrischen Wettlauf zu verschieben, wird nicht einfach sein. Schaden- und Unfallversicherer können durchaus KI-Technologien nutzen, um sich zu wehren:
- Das Kernsystem auf eine Cloud-native, API-first-Plattform migrieren. Versicherungsunternehmen, die mit einer modernen, Cloud-basierten Versicherungsplattform arbeiten, können Lösungen von einer Vielzahl von Ökosystempartnern integrieren, die manipulierte Bilder oder Inhalte erkennen können. Beispielsweise betont die Boston Consulting Group (PDF), dass eine API-first-Infrastruktur es Versicherungsunternehmen ermöglicht, Abwehrmaßnahmen gegen KI-gestützten Betrug schnell und direkt in ihre Arbeitsabläufe zu integrieren.
- Einsatz von multimodalen KI-gestützten Schutzmechanismen an allen Kontrollpunkten. Dank moderner Architektur können Versicherer auch Lösungen einsetzen, die Computer-Vision, Audioforensik und die Erkennung von LLM-Anomalien entlang der gesamten Wertschöpfungskette nutzen – von der Antragsstellung über die Schadenmeldung und -bearbeitung bis hin zur Auszahlung und darüber hinaus. Schätzungen zufolge kann die Kombination von Bild-, Text- und Sprach-Telemetrie (oder multimodaler Analyse) die Erkennungsrate von Deepfakes auf 98 Prozent oder mehr erhöhen. Laut Deloitte könnten die resultierenden Einsparungen bis 2032 160 Milliarden US-Dollar übersteigen.
- Überprüfungen in Echtzeit und Verhaltensanalyse. Mit dem Einsatz von Live-Videoaufnahmen und Verhaltensbiometrie, können Versicherer sich gegen Betrüger schützen. Denn diese Tools machen es für Betrüger nahezu unmöglich, während des gesamten Versicherungslebenszyklus glaubwürdig zu bleiben. Mithilfe integrierter Lösungen können Versicherer Live-Fotos, -Videos oder -Audiodateien zu nutzen, um Schadenangaben zu überprüfen und mit Versicherungsnehmern zusammenzuarbeiten.
- Cybersicherheits- und Betrugsbekämpfungsteams zusammenführen. Im Zeitalter der Deepfakes ersetzen integrierte Teams isolierte Betrugspräventionsmaßnahmen. Sie betrachten Betrug, Cybersicherheit und Analytics als ein zusammenhängendes Umfeld und verbinden Bildforensik, Netzwerksicherheit und Schaden-Metadaten in einem gemeinsamen Bedrohungscockpit. Laut Forrester Research sind Unternehmen mit kombinierten Cybersicherheits- und Betrugsteams zudem 40 Prozent erfolgreicher darin, zu verhindern, dass Betrug zu finanziellen Verlusten führt.
Deepfakes können bekämpft werden
Generative KI ist in der Schaden- und Unfallversicherung nicht mehr wegzudenken. Akteure, die dieselbe Technologie zu betrügerischen Zwecken einsetzen allerdings auch. Daher ist mit verschärfter regulatorischer Kontrolle, beschleunigtem Datenaustausch in Konsortien und Ökosystemen sowie nahtloseren Deepfake-Abwehrmaßnahmen zu rechnen. Versicherer, die in Cloud-native Kernsysteme, multimodale Erkennung und leistungsfähige Teams für Betrugsbekämpfung und Cybersicherheit investieren, werden die Welle von Deepfake-Betrugsfällen nicht nur abfedern, sondern sich auf für die Zukunft wappnen, indem sie schnellere und genauere Schadenregulierung ermöglichen und somit auch das Kundenerlebnis für ehrliche Versicherungsnehmer verbessern.
Über die Autorin:
Laura Drabik ist Chief Evangelist bei Guidewire.
Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.
