vchalup - stock.adobe.com

Ciscos neuer Silizium-Photonik-Chip für Quantennetzwerke

Cisco hat einen Silizium-Photonik-Chip für Quantennetzwerke vorgestellt. Der Prototyp arbeitet bei Raumtemperatur und soll mit bestehender Glasfaserinfrastruktur kompatibel sein.

Cisco hat gemeinsam mit der University of California in Santa Barbara einen Prototyp eines Quantenchips entwickelt, der die Quantennetzwerkinfrastruktur voranbringen soll. Cisco sieht in dem Silizium-Photonik-Verschränkungsquellen-Chip die technische Grundlage für das künftige Quanteninternet. Parallel dazu eröffnete das Unternehmen die Cisco Quantum Labs in Santa Monica, wo weitere Quantennetzwerktechnologien erforscht werden sollen.

Das Skalierungsproblem in der Quantentechnologie

Die derzeit größte Herausforderung der Quantencomputertechnologie ist die Skalierbarkeit: Heutige Quantenprozessoren verfügen nur über wenige Hundert Qubits, für praxistaugliche Anwendungen werden jedoch Millionen benötigt. Selbst die ehrgeizigsten Entwicklungspläne sehen bis 2030 nur einige tausend Qubits vor.

Dieses Skalierungsproblem erinnert an die Anfänge der klassischen Computertechnologie. Damals wurde sie durch die Vernetzung kleiner Knoten zu leistungsfähigen verteilten Systemen gelöst, was zur Entwicklung von Rechenzentren und Cloud Computing führte. Analog dazu sieht Cisco die Zukunft des Quantencomputings nicht in monolithischen Systemen, sondern in vernetzten Quantenrechenzentren.

Technische Spezifikationen des Cisco-Quantenchips

Der neue Quantenchip von Cisco ist eine Silizium-Photonik-Verschränkungsquelle, die auf dem Prinzip der spontanen Vier-Wellen-Mischung (FWM) in Wellenleitern aus III-V-Halbleitern auf einer Silizium-Wafer-Plattform basiert. Er erzeugt verschränkte Photonenpaare, die unabhängig von der räumlichen Entfernung eine sofortige Verbindung aufrechterhalten können – ein Phänomen, das Einstein als „spukhafte Fernwirkung“ bezeichnete.

Der Quantenchip von Cisco arbeitet bei Raumtemperatur.
Abbildung 1: Der Quantenchip von Cisco arbeitet bei Raumtemperatur.

Die wichtigsten technischen Merkmale Cisco-Quantenchip (Firmenangaben):

  • Produktionsrate: bis zu 200 Millionen verschränkte Photonenpaare pro Sekunde auf dem gesamten Chip.
  • Leistung pro Kanal: 1 Million hochzuverlässige Verschränkungspaare pro Ausgangskanal.
  • Zuverlässigkeit: 99 Prozent Fidelity (Zuverlässigkeit der Quantenverschränkung).
  • Energieeffizienz: weniger als 1 mW Leistungsaufnahme.
  • Betriebstemperatur: Betrieb bei Raumtemperatur.
  • Kompatibilität: Verwendet die Standard-Telekommunikationswellenlänge von 1550 nm, wodurch die bestehende Glasfaserinfrastruktur genutzt werden kann.
  • Integrierbarkeit: geeignet als miniaturisierter photonischer integrierter Chip (PIC) für skalierbare Systeme.

Die Fähigkeit, Arrays von Verschränkungsquellen auf demselben Chip für massives Multiplexing zu erzeugen, macht ihn laut Cisco zur derzeit lichtstärksten Chip-basierten Quelle für Quantennetzwerktechnologie.

Architektur für Quantenrechenzentren

Mitarbeiter des Cisco Quantum Labs haben in einem auf arXiv veröffentlichten Beitrag Quantum Data Center Infrastructures eine dreischichtige Architektur für Quantenrechenzentren vorgestellt:

  1. Physische Schicht (Physical Layer): Spezialisierte Quantenhardware.
  2. Verschränkungsverwaltungsschicht (Entanglement Management Layer): Verteilt Quantenressourcen.
  3. Berechnungsschicht (Computing Layer): Partitioniert Algorithmen über vernetzte Prozessoren.

Diese Architektur ermöglicht es mehreren kleineren Quantenprozessoren, als einheitliches System zusammenzuarbeiten. Für die Netzwerktopologie wurden sowohl Switch-zentrierte (Clos-Topologie) als auch serverzentrierte Ansätze (BCube-Topologie) entwickelt.

Die dreischichtige Architektur für Quantum Data Center. Links die Switch-zentrierte Clos-Topologie, rechts die server-zentrierte BCube-Topologie.
Abbildung 2: Die dreischichtige Architektur für Quantum Data Center. Links die Switch-zentrierte Clos-Topologie, rechts die server-zentrierte BCube-Topologie.

Im Gegensatz zu klassischen Rechenzentren muss ein Quantenrechenzentrum fragile Quantenzustände bewahren, Verschränkungsressourcen verteilen, Teleportation zwischen Prozessoren ermöglichen und Operationen mit Subnanosekunden-Präzision synchronisieren – Funktionen, die in handelsüblichen Netzwerkkomponenten nicht verfügbar sind.

Komponenten eines Quantennetzwerks

Neben dem Verschränkungschip arbeitet Cisco nach eigenen Angaben an weiteren Schlüsselkomponenten:

  • Quanten-Switch: Anders als herkömmliche optische Switches nutzen diese Lichtwellenleiter (Glasfaser), die Quanteninformation ohne Messung oder Beobachtung weiterleiten können, um die empfindlichen Quantenzustände zu erhalten.
  • Quantum Network Interface Cards (NIC): Diese NICs verbinden Quantenprozessoren mit dem Netzwerk und bewältigen die anspruchsvolle Umwandlung zwischen Berechnungsfrequenzen und Netzwerkfrequenzen.
  • Verteilter Computing-Compiler: Diese Multi-Tenant-Software partitioniert Quantenalgorithmen über Prozessoren und plant die Verteilung der Verschränkung. Der Distributed Computing Compiler kann komplexe Quantenschaltkreise auf physische Hardware abbilden und übersetzen.
  • Dual-Frequenz-Quelle: In Zusammenarbeit mit einem Startup-Unternehmen hat Cisco eine komplementäre Technologie entwickelt, die Rubidiumdampfzellen verwendet. Diese erzeugt verschränkte Paare, bei denen ein Photon bei Nahinfrarot-Frequenz (nahe den meisten Quantencomputerplattformen) arbeitet, während sein Partner bei Telekomfrequenz operiert – eine Lösung für ein Schlüsselintegrationsproblem in heterogenen Quantenumgebungen.
  • Quantum Network Development Kit (QNDK) und Quantum Random Number Generator (QRNG) sind weitere Komponenten im Entwicklungsstadium.

Praktische Anwendungsperspektiven

Der Ansatz von Cisco ist herstellerunabhängig konzipiert und soll mit verschiedenen Quantencomputertechnologien (supraleitend, Ionenfalle oder auf neutralen Atomen basierenden Systemen) funktionieren.

Während vollwertige Quantencomputer-Anwendungen noch Jahre entfernt sein mögen, sollen die Prinzipien der Quantennetzwerke bereits unmittelbare Vorteile für klassische Systeme bieten, etwa abhörsichere Kommunikation, ultrapräzise Zeitsynchronisation oder sichere Standortüberprüfung.

Der neue Quantenchip und die Quantenrechenzentrum-Architektur könnten laut Cisco die Zeitspanne bis zum praktischen Einsatz von Quantencomputern von mehreren Jahrzehnten auf fünf bis zehn Jahre verkürzen. Parallel will Cisco Post-Quanten-Kryptographie-Standards (PQC) des NIST in sein Portfolio implementieren, um klassische Netzwerke in einer Post-Quanten-Welt sicher zu halten.

Fazit

Während die praktische Umsetzung von skalierbaren Quantencomputern noch immer vor erheblichen Herausforderungen steht, zeigt Ciscos Ansatz einen pragmatischen Weg auf: Die Verteilung des Problems auf vernetzbare Quantensysteme könnte die Entwicklung beschleunigen. Der neue Quantenchip von Cisco könnte dabei ein wichtigen technischer Baustein sein, dessen praktische Anwendbarkeit durch die Kompatibilität mit bestehender Infrastruktur und den Betrieb bei Raumtemperatur begünstigt wird.

Die Entwicklung ähnelt dem Übergang von Großrechnern zu vernetzten Systemen in der klassischen Computertechnik – ein Paradigmenwechsel, der letztendlich zur heutigen Cloud-Architektur führte. Ob die verteilte Quantencomputer-Architektur tatsächlich den erhofften Durchbruch bringen wird, bleibt abzuwarten.

Erfahren Sie mehr über Netzwerkhardware