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Wie Unternehmen die Herausforderung ESG digital bewältigen

Digitale Prozesse und Datenwissenschaft unterstützen dabei, ESG-Maßnahmen (Environmental, Social, Governance) nicht nur umzusetzen, sondern auch ihren Erfolg messbar zu machen.

Die Lage ist ernst, und dass wir im Jahr 2022 ausnahmslos und ernsthaft nachhaltige Geschäftsbetriebe brauchen, steht außer Frage. Dennoch wird das Thema ESG (Environmental, Social, Governance) nach wie vor viel zu häufig ignoriert. Warum ist das so? Unternehmen stehen in der Regel vor drei großen Herausforderungen: ESG-Programme sind komplex. Hinzu kommt, dass es auf Führungs- und Vorstandsebene an Kenntnissen zu ESG mangelt. Nicht zuletzt fehlt es an integrierten Methoden und Tools zur Erfassung der relevanten Daten.

Eine weltweite Umfrage der gemeinnützigen Organisation OCEG (Open Compliance & Ethics Group) unter mehr als 500 Führungskräften ergab, dass rund drei Viertel von ihnen glauben, dass sich ESG-Bemühungen auf Marke und Image eines Unternehmens auswirken. Nicht einmal die Hälfte glaubt dagegen, dass sie sich auf die Finanzergebnisse auswirken. Zunächst muss sich also die Erkenntnis in Unternehmen – und dort vor allem auf höchster Ebene – verankern, dass Engagement und Investitionen in ESG zwar Aufwand bedeuten, dass sich dieser Aufwand aber langfristig auszahlt.

Der Druck auf Unternehmen wächst

Für Unternehmen ergeben sich – neben der Verbesserung der eigenen CO2-Bilanz – zwei zentrale, strategische Vorteile: Setzen sie ESG an die Spitze ihrer Agenda, steigern sie zum einen ihren Umsatz. Eine aktuelle Studie von ThoughtLab und ServiceNow unter 1.000 Führungskräften in 13 Ländern ergab, dass die große Mehrheit (79 Prozent) derjenigen Unternehmen, die bereits zu den Vorreitern in Sachen ESG zählen, durch ESG bessere Finanzergebnisse erzielt.

ESG steigert außerdem die Attraktivität für Top-Talente, das gaben 86 Prozent der ESG-Vorreiterunternehmen in der Umfrage an. Ob Millennials, Generation Y oder Z: Für immer mehr (potenzielle) Mitarbeiter ist es von großer Bedeutung, dass die Werte des Arbeitgebers mit den eigenen übereinstimmen. Bereits 2018 ergab eine LinkedIn-Studie, dass 70 Prozent der Befragten bereit wären, eine Gehaltskürzung in Kauf zu nehmen, um für ein Unternehmen zu arbeiten, das ihre Wertvorstellungen vertritt. Ein Trend, der sich in den vergangenen Jahren sicher noch verstärkt hat.

Aber nicht nur gegenüber Mitarbeitern und Bewerbern können sich Unternehmen ihrer ökologischen, sozialen und ökonomischen Verantwortung nicht mehr entziehen. Auch aus Richtung Kunden und Partnern wächst der Druck. Aufsichtsbehörden schauen immer genauer hin und Investoren beziehen ESG-Kennzahlen zunehmend in ihre Bewertungen ein.

Transparenz in der gesamten Lieferkette

Was immer wichtiger wird, um den Erwartungen gerecht zu werden: ESG-Ergebnisse müssen messbar sein. Das gestaltet sich aber gerade für solche Unternehmen schwierig, die als Hersteller von Verbraucher- oder Industriegütern Teil globaler Lieferketten sind. Für das Erreichen von ESG-Zielen müssen Ergebnisse aus der gesamten Lieferkette vorliegen, doch die Datenerfassung an den Stationen und ihre Weitergabe funktioniert entweder noch viel zu langsam oder es liegen überhaupt keine Informationen vor.

Die Zulieferer spielen hier eine entscheidende Rolle: Nur wenige Unternehmen können Auskunft zu den Zahlen ihrer Zulieferer geben, was vermutlich daran liegt, dass sie sie nicht verfolgen und messen können. Somit sind die ESG-Daten der Unternehmen generell nicht aussagekräftig und Rating-Agenturen sind nicht in der Lage, die Fortschritte beim Erreichen der ESG-Ziele in der gesamten Lieferkette zu quantifizieren.

ESG-Ziele erreichen mit automatisierten Tools

Für mehr Transparenz bei der Erreichung der ESG-Ziele müssen sich Unternehmen einige grundsätzliche Fragen stellen: Welche Daten benötigen wir? Wie tragen wir sie zusammen? Mit welchen Systemen verarbeiten wie sie? Und wie soll der Bericht zu den Ergebnissen aussehen?

Der Schlüssel, um diese Fragen zu beantworten, heißt Digitalisierung – und genau hier hapert es: Der Umfrage Digital Trends in Supply Chain der Unternehmensberatung PwC zufolge verfügt nach eigenen Angaben nicht einmal ein Viertel der Supply-Chain-Verantwortlichen über die notwendigen digitalen Fähigkeiten für die Digitalisierung ihrer Lieferketten. Fast 30 Prozent gaben an, dass Software- und Hardwaredefizite ihre Analysefähigkeit einschränken.

In Sachen Digitalisierung gibt es also enormen Aufholbedarf. Unternehmen, die ihre Lieferketten digitalisieren, profitieren auch hinsichtlich ihrer ESG-Ziele: Digitale Workflows helfen Herstellern, ihre ESG-Leistung zu verbessern, indem sie Ziele schnell identifizieren und sicherstellen, dass sie erreicht werden. Automatisierte, in bestehende Systeme integrierte Tools ermöglichen eine dynamische und einfache Nachverfolgung der relevanten Daten in Echtzeit und eine beschleunigte Weitergabe zwischen Herstellern und Zulieferern.

Volle Kontrolle über ESG-Vorgaben

Auch vor dem Hintergrund gesetzlicher Vorgaben gewinnen leistungsstarke, digitale Lösungen im Rahmen von ESG-Bemühungen immer mehr an Bedeutung. Weltweit verschärfen Regierungen ihre ESG-Vorschriften und -Kontrollen und fordern von Unternehmen die Offenlegung von Details zu Arbeitsstandards, Ressourcennutzung und Umweltauswirkungen.

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) etwa, das 2023 in Deutschland in Kraft tritt, verpflichtet in Deutschland ansässige Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern dazu, zum Schutz der Umwelt und der Menschenrechte ihre Prozesse entlang der gesamten Lieferkette zu verbessern und zu dokumentieren. Ab 2024 wird die Regelung auf Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern ausgeweitet – rund 5.000 deutsche Unternehmen werden dem Gesetz dann verpflichtet und dafür verantwortlich sein, sicherzustellen, dass ihre Lieferanten die Anforderungen erfüllen.

 Robert Rosellen, ServiceNow

„ Aufsichtsbehörden schauen immer genauer hin und Investoren beziehen ESG-Kennzahlen zunehmend in ihre Bewertungen ein.“

Robert Rosellen, ServiceNow

Ohne digitale Kontrolle geht es nicht

Unternehmen brauchen eine Softwarelösung, die ihnen hilft, diese Herausforderung zu bewältigen, Bürokratie abzubauen und ihrer Sorgfaltspflicht nachzukommen. Maximale Transparenz und Sichtbarkeit ist durch Kollaboration aller beteiligten Parteien auf einer gemeinsamen Plattform zu erreichen, auf der Daten in Echtzeit ausgetauscht werden. Vergleichbar mit einem digitalen Kontrollturm können Unternehmen von dort aus alle ESG-Aktivitäten planen, verwalten, kontrollieren und entsprechend der Vorgaben darüber Bericht erstatten.

Die Lieferkette, wie Unternehmen sie bisher kennen und die von schleppender Kommunikation und Informationslücken oder -silos geprägt ist, kann auf Basis einer solchen Infrastruktur zu einem digitalen Lieferkettennetzwerk werden, in dem alle Punkte miteinander verknüpft sind und sich alle ESG-Maßnahmen optimal verfolgen, steuern und messen lassen.

ESG ist ein Mega-Thema, dem sich Führungskräfte nicht mehr entziehen können. Sie müssen es als Führungsaufgabe begreifen und genauso ernst managen, wie etwa ihre Finanzen. Unternehmen, die dabei digital denken und auf entsprechende technologische Lösungen setzen, sind dem Wettbewerb einen großen Schritt voraus, sind zukunftssicher aufgestellt und brauchen auch mögliche weitere gesetzliche Verschärfungen nicht zu fürchten.

Über den Autor:

Robert Rosellen ist Area Vice President (Austria and Germany) bei ServiceNow.

Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.

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