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KI-Agenten in Unternehmen: Erwartung trifft auf Realität
IT-Entscheider schätzen das Potenzial von KI-Agenten hoch ein, aber in der Praxis zeigen sich Hürden. Für den Erfolg sind Transparenz, Kontrolle und Rechtssicherheit entscheidend.
KI-Agenten sind in der Lage, Aufgaben eigenständig auszuführen, Entscheidungen zu treffen und mit Nutzern oder...
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ihrer Umgebung zu interagieren. Sie sollen Service und Prozesse in Unternehmen grundlegend verändern. Doch eine Studie der Telekom MMS unter Verbrauchern und IT-Entscheidern in offenbart eine bemerkenswerte Diskrepanz zwischen Erwartung und Umsetzung: So gehen 75 Prozent der IT-Entscheider davon aus, dass ihre Kunden künftig verstärkt KI-Agenten nutzen werden, tatsächlich setzen jedoch nur 12 Prozent der Unternehmen solche Systeme bereits produktiv ein. Woran liegt das?
Der Weg von der Konzeption zur praktischen Umsetzung ist komplex. Rechtliche Unsicherheiten, Bedenken der Kunden bezüglich geistigem Eigentum, KI-Regulierung, Datenschutz und Kontrollverlust sowie unklare Monetarisierungsstrategien stellen Unternehmen vor Herausforderungen. Dennoch gibt es bereits erfolgreiche Implementierungen, die das Potenzial der Technologie demonstrieren. Ein genauerer Blick auf den aktuellen Stand der Nutzung von KI-Agenten zeigt, wo die konkreten Hürden liegen.
Status quo: Zögernde Unternehmen im Generationen-Zugzwang
Während sich fast ein Drittel (32 Prozent) der befragten Unternehmen mit dem Thema KI-Agenten im Kundenservice noch gar nicht befasst hat, stecken weitere 20 Prozent in der Recherchephase. Nur 12 Prozent planen konkrete erste Schritte und 18 Prozent pilotieren bereits.
Zudem existiert eine deutliche Generationenkluft in der Nutzung von KI-Agenten: Während die 18- bis 24-Jährigen sich gegenüber KI-Agenten offen zeigen, sind die über 55-Jährigen noch skeptisch: Mehr als die Hälfte von ihnen lehnt die Interaktion mit KI-Agenten ab. Diese Diskrepanz stellt Unternehmen vor eine doppelte Herausforderung. Sie müssen einerseits die hohen Erwartungen der technikaffinen jüngeren Generation erfüllen, ohne dabei andererseits die älteren Nutzer*innen abzuhängen. Zielgruppenspezifische Ansätze werden damit zum Schlüssel für eine erfolgreiche Implementierung von KI-Agenten.
Vertrauensdefizit und rechtliche Hürden als Bremsklötze
Die Bedenken der Verbraucher sind vielfältig: Sie fürchten Fehlentscheidungen durch KI-Systeme, sorgen sich um den Schutz sensibler Daten und sehen die Gefahr eines Kontrollverlusts. Unternehmen müssen also im ersten Schritt vertrauenswürdige KI-Lösungen entwickeln. Dabei müssen sie auch komplexe rechtliche Anforderungen erfüllen. Nicht ohne Grund nennen 45 Prozent der IT-Entscheider Rechtssicherheit als wichtigste Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz von KI-Agenten.
Oliver Belitz, IT-Rechtsexperte mit KI-Schwerpunkt und Counsel bei Bird & Bird, sowie Dr. Simon Hembt, Counsel bei Bird & Bird mit Fokus auf geistiges Eigentum und Technologierecht, erläutern die konkreten Herausforderungen: „Agentische Systeme erfordern unter dem EU AI Act eine besonders sorgfältige rechtliche Einordnung – insbesondere hinsichtlich der Regulierung sogenannter ‚General Purpose AI‘ (GPAI), also Basismodelle. Typischerweise greifen KI-Agenten auf LLMs zurück und binden diese über APIs in komplexe Workflows ein. Der AI Act zwingt Unternehmen dazu, genau zu analysieren: Welche Komponenten sind als GPAI-Modell einzustufen, welche gelten als darauf aufbauende KI-Systeme? Diese Differenzierung ist essenziell, denn wer etwa ein Modell wesentlich modifiziert, kann ungewollt selbst zum Anbieter eines GPAI-Modells werden und damit umfangreichen regulatorischen Pflichten unterliegen“, erklärt Belitz.
„Unternehmen benötigen für den Einsatz von KI-Agenten eine eigene Strategie – analog zu Guidelines für menschliche Mitarbeitende im Umgang mit KI. Auch ein Agent braucht klare Regeln und Entscheidungsbäume, an denen er sich orientiert. Er soll beispielsweise Marketingkampagnen entwickeln, aber eben keine Kampagnen der Konkurrenz kopieren oder irreführend werben. Diese Regeln schaffen Sicherheit – ein rechtliches Erfordernis, das zugleich die Akzeptanz von KI-Agenten erhöht.“, so Hembt.
„Angesichts dieser komplexen Rechtslage empfehlen wir einen ganzheitlichen Compliance-Ansatz, der sämtliche relevanten Rechtsmaterien umfasst und regelmäßig an neue Entwicklungen anzupassen ist", resümieren die Experten von Bird & Bird.
Monetarisierung als Schlüsselfrage
Die Monetarisierung von KI-Agenten stellt Unternehmen vor ein Dilemma: Einerseits erfordert die Entwicklung und Implementierung erhebliche Investitionen, andererseits ist die Zahlungsbereitschaft der Nutzer gering. Dennoch zeichnen sich erste Strategien ab. Laut der Studie planen etwa 37 Prozent der Unternehmen, bestehende Produkte durch KI-Services zu erweitern, während 24 Prozent KI-gestützte After-Sales-Services als Abo-Modell in Betracht ziehen.
Der Schlüssel liegt in der Wertschöpfung ihrer Kunden, sowohl im B2C- als auch im B2B-Bereich. KI-Agenten müssen Leistungen bieten, die über kostenlose Services hinausgehen, wie etwa hochgradig personalisierte Beratung für Endverbraucher oder prädiktive Wartungsangebote für Industrieanlagen. Jüngere Zielgruppen zeigen eine höhere Bereitschaft, für KI-Services zu zahlen, was Potenzial für zielgruppenspezifische Geschäftsmodelle bietet. Um die Kluft zwischen Investitionsbedarf und Zahlungsbereitschaft zu überbrücken, müssen Unternehmen innovative, wirtschaftlich tragfähige Geschäftsmodelle entwickeln. Der Fokus sollte dabei auf der Schaffung eines messbaren Mehrwerts liegen, der die Investition in KI-gestützte Dienste für die Nutzer rechtfertigt.
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„Die zentrale Herausforderung liegt in der Balance zwischen Automatisierung und menschlicher Interaktion. So können KI-Agenten als Katalysator für eine verbesserte Kundeninteraktion dienen – als wertvolle Ergänzung, die Mitarbeitende unterstützt und neue Potenziale erschließt.“
Martin Wunderwald, Telekom MMS
Erste Anwendungsfälle zeigen Potenzial
Trotz dieser Herausforderungen zeigen konkrete Anwendungsbeispiele das Potenzial von KI-Agenten in verschiedenen Branchen. Im Kundenservice zeigt sich das Potenzial besonders deutlich: Dort bearbeiten sie Routineanfragen selbstständig, geben komplexe Fälle an Mitarbeitende weiter und entwickeln ihre Antworten durch fortlaufendes Lernen weiter.
Unternehmen profitieren dabei von der permanenten Verfügbarkeit und Skalierbarkeit der Systeme. Das transformative Potenzial von KI-Agenten zeigt sich besonders in der Prozessautomatisierung und Datenanalyse. In der Fertigungsindustrie ermöglicht die Echtzeitanalyse von Maschinendaten durch KI-gestützte Systeme prädiktive Wartung und die Vorhersage potenzieller Ausfälle. Die automatisierte Qualitätskontrolle steigert die Produktqualität und reduziert Ausschuss. Visuelle Datenanalyse identifiziert Engpässe und ermöglicht die Optimierung von Produktionsprozessen.
Auch in anderen Branchen zeigen sich vielversprechende Anwendungen: Finanzdienstleister nutzen KI-Agenten für die Echtzeitanalyse von Kundenverhalten und Entwicklung personalisierter Finanzprodukte. Im E-Commerce unterstützen sie bei der automatisierten Betrugserkennung. Die Versicherungsbranche setzt auf KI-gestützte Risikoanalysen.
Hybrid statt Hype
Hybride Modelle zeichnen sich als vielversprechender Ansatz für den Einsatz von KI-Agenten ab: Automatisierte Systeme übernehmen Standardaufgaben, während menschliche Expertise sich auf komplexe Fälle konzentriert. Für eine gelungene Integration sind kontinuierliche Qualitätskontrolle und gezielte Schulung der Mitarbeitenden entscheidend.
Unternehmen sind gut beraten, hier strategisch und mit Augenmaß vorzugehen. Die zentrale Herausforderung liegt in der Balance zwischen Automatisierung und menschlicher Interaktion. So können KI-Agenten als Katalysator für eine verbesserte Kundeninteraktion dienen – als wertvolle Ergänzung, die Mitarbeitende unterstützt und neue Potenziale erschließt.
Über die Autoren:
Martin Wunderwald ist Portfolio Lead für AI & Cognitive Services bei Telekom MMS.
Oliver Belitz, Counsel bei Bird & Bird mit Schwerpunkt IT-Recht und Künstliche Intelligenz (Regulierung, Verträge, Haftung).
Dr. Simon Hembt, Counsel bei Bird & Bird im Bereich Geistiges Eigentum und Technologieregulierung mit Schwerpunkt Künstlicher Intelligenz.
Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.
