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Low-Code und No-Code im Strudel der Informationstechnik

Low-Code- und No-Code-Umgebungen haben in den letzten Jahren einen Hype erlebt. Allerdings eignen sich die Plattformen nicht für jeden Anwender und jedes Unternehmen.

Softwareentwicklung stellt einige Unternehmen vor große Herausforderungen. Vor allem kleine Unternehmen und Mittelständler, aber auch internationale Konzerne müssen sich in ihrem Alltag immer wieder diesem oft aufwendigen und kostenintensiven Thema widmen.

In den letzten Jahren führte die stetig wachsende Fachkräftelücke in der MINT-Branche und im Speziellen der Mangel im Bereich der Informatik dazu, dass neue Projekte den geplanten Zeitrahmen weit überschritten. Doch während Unternehmen noch vor wenigen Jahren bei Bedarf für ein neues Softwareprodukt nur auf ein bestehendes Programm zurückgreifen oder mühevoll eine eigene Anwendung erstellen konnten, haben sich die Optionen in den letzten Jahren erweitert. Insbesondere Low-Code-/No-Code-Plattformen sehen viele als eine Alternative, die einen einfachen Einstieg in die Materie eröffnet. Welche Möglichkeiten bietet diese Software insbesondere für Unternehmen? Und: Führt der Einsatz dieser Technik dazu, dass sich in Zukunft jeder im Bereich der Softwareentwicklung ausprobiert?

Prozess mit vielen Schritten

In der Regel läuft die Erstellung einer neuen Anwendung anhand eines vorgegebenen Musters aus Planung, Design, Entwicklung, Test und der anschließenden Wartung des fertigen Produkts. Für diesen teilweise komplexen Prozess braucht es bestimmte Fachkenntnisse im Bereich der Informationstechnik sowie einiges an Zeit, um beispielsweise den entsprechenden Code zu schreiben oder anzupassen.

Hier wünschen sich viele fachfremde Unternehmen und Laien eine schnellere Umsetzung, um nicht auf die bestellte Software warten zu müssen. Zugehörige zeitaufwendige Abläufe sorgen in der Regel dafür, dass das vom Kunden gewünschte Ergebnis entsteht. Nur so kann die neue Anwendung danach direkt in Betrieb gehen und eine maßgebliche Anpassung an die Bedürfnisse der Nutzenden erhalten. Seit einiger Zeit steigt die Zahl solcher Softwareprodukte, die Unternehmen oder Einzelpersonen selbst innerhalb kürzester Zeit über diese speziellen Programme erstellt haben.

Rasche Alternative?

Für die Informatik stellt die aktuelle Entwicklung keine komplette Neuheit mehr dar. Schon 2014 kam zum ersten Mal der Begriff Low-Code auf. Aus dem Englischen übersetzt bedeutet er so viel wie wenig Code, wobei damit der bei der Konstruktion entstehende Aufwand gemeint ist und nicht die Qualität der fertigen Software.

Im Zuge der programmierten Automatisierung schreibt sich der Großteil des benötigten Codes selbst, wobei das System dafür auf bestehende Komponenten zurückgreift. Wie bei der Zusammensetzung von einzelnen Bausteinen in einem Baukastensystem entwickelt sich das Projekt somit im Laufe des Prozesses zu einem immer komplexeren Konstrukt.

Häufig setzen Anbieter hier auf ein Modell, das zu 80 Prozent aus vorgefertigten Komponenten und zu 20 Prozent aus eigenständig produziertem Code besteht. Damit lässt sich jedoch keine Aussage über die zukünftige Funktionstüchtigkeit des Programms treffen. Bei No-Code-Software braucht es sogar gar keinen zusätzlichen geschriebenen Code, da die Anwendung nur durch die Zusammensetzung der Einzelteile in einem Drag-and-Drop-Prinzip entsteht.

Schwachstellen im Prozess

Ausgebildete oder erfahrene Programmiererinnen und Programmierer bekommen in diesem Zusammenhang immer wieder zu hören, dass mit Low-Code- oder No-Code-Programmen nun selbst Laien schnell eine komplexe und funktionierende eigene Software erstellen können. Hier lässt sich jedoch klar festhalten: Selbst mit einer solchen technischen Unterstützung braucht es immer noch ein gewisses Grundverständnis der Materie sowie die stetige Bereitschaft, sich der relativ neuen Technologie zu stellen.

Sebastian Dörr-Willken, Semantic Applications GmbH und Co. KG

„Gerade der manuell zu erstellende Code bei Low-Code-Anwendungen führt bei Laien immer wieder zu Verzweiflung und grobe Fehler gefährden am Ende das ganze Projekt. In der Regel lohnt sich daher der Einsatz solcher scheinbar einfach zu bedienenden Alternativen im Rückblick nicht.“

Sebastian Dörr-Willken, Semantic Applications GmbH und Co. KG

Schnell kommt es im Zuge der geplanten Entwicklung auch zu Chaos, vor allem wenn sich die Prozesse nicht auf eine einzelne Anwendung beschränkt, sondern gleich eine ganze Reihe an Programmen entstehen. Nur durch eine im Vorfeld durchgeführte Analyse der wichtigsten Arbeitsabläufe können Zuständige die neue Software an die Bedürfnisse der zukünftigen Nutzerinnen und Nutzer anpassen. Ohne eine solche Orientierung kommt es im schlimmsten Fall dazu, dass das Produkt keinen wirklichen Nutzen für die Betroffenen hat und Unternehmen somit unnötig Zeit und Geld verschwenden.

Professionell statt schnell?

Immer wieder kommt es bei solchen scheinbar einfachen Entwicklungen zu kleinen oder großen Problemen. Manchmal stoßen Laien bei diesen Projekten an ihre Wissensgrenzen oder die neue Software passt aus verschiedenen Gründen nicht zu den bestehenden Systemen. Erst dann holen sich viele Unternehmen externe Unterstützung, um die auftretenden Schwierigkeiten zu beheben.

Gerade der manuell zu erstellende Code bei Low-Code-Anwendungen führt bei Laien immer wieder zu Verzweiflung und grobe Fehler gefährden am Ende das ganze Projekt. In der Regel lohnt sich daher der Einsatz solcher scheinbar einfach zu bedienenden Alternativen im Rückblick nicht. Betriebe, die auf der Suche nach einer funktionalen und mit dem aktuellen System symbiotisch zusammenarbeitenden Software sind, sollten sich daher eher an ihre eigene IT-Abteilung oder einen externen Betrieb wenden, der im besten Fall eine fachliche Ausbildung vorweisen kann.

Über den Autor:

Sebastian Dörr-Willken ist Geschäftsführer der Semantic Applications GmbH und Co. KG. Schon früh hat er sich mit Oracle Consulting und Webentwicklung beschäftigt. Im Zuge der wachsenden Unübersichtlichkeit beim Personal- und Projektmanagement hat er auch die eigene Software Ressource Manager entwickelt.

 

Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.

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