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Warum IT-Fachleute heute wichtiger denn je sind

Eine kleine Zahl von IT-Fachleuten hat während der globalen Lockdowns dafür gesorgt, dass die Geschäfte weiterlaufen. Das hat das Überleben vieler Firmen gesichert.

Die globale COVID-19-Pandemie hat bereits schweren wirtschaftlichen Schaden angerichtet. Weltweit steigen die Arbeitslosenzahlen, ganze Branchen sind zusammengebrochen, und der Abwärtstrend ist noch nicht zu Ende.

Doch es gibt auch eine andere Geschichte – die der stillen Helden. Als in vielen Ländern der Lockdown angeordnet wurde und über ein Drittel der Weltbevölkerung in Isolation ging, schlossen Büros ihre Türen und Arbeitsplätze – manchmal an die Zehntausende – wurden ins Home-Office verlegt.

Dies ist eine Geschichte von enormer Flexibilität, Widerstandskraft und den unglaublichen Anstrengungen, die unternommen werden, um Unternehmen und Stellen zu retten und die Zivilgesellschaft soweit wie möglich zu stabilisieren. Zu den Notfall-Einsatzkräften, die diese Herkules-Aufgabe stemmen, gehört eine Berufsgruppe, über die zu Unrecht wenig berichtet wird: IT-Fachexperten.

Eine relativ kleine Zahl von IT-Fachleuten hat dafür gesorgt, dass die Geschäfte weiterlaufen können, und hat in vielen Fällen das Überleben ihrer Firmen gesichert. Sie halten während einer globalen Pandemie unter großen persönlichen Risiken die Geschäftswelt über Wasser.

Remote Working, also Telearbeit oder mobile Arbeit, war bereits vor dem Lockdown ein zunehmender Trend. Aber selbst die diesbezüglich fortschrittlichsten Unternehmen hatten nicht genügend Leitungskapazität, um mehr als eine Handvoll Mitarbeiter dabei zu unterstützen. Doch plötzlich mussten in nur wenigen Wochen Zehntausende Mitarbeiter in VPNs eingebunden werden. Daten des Anbieters Nord VPN zeigen, dass die VPN-Nutzung im März im Laufe nur weniger Wochen um 165 Prozent zunahm.

Diese VPNs sind sehr ressourcenintensiv in einer Zeit, in der Unternehmen Bandbreitenengpässe haben. Also musste penibel auf das Fein-Tuning der Ressourcenzuteilung an Benutzer und Anwendungen geachtet werden, um die Verfügbarkeit aufrechtzuerhalten.

Eine ebenso große Herausforderung ist die Gewährleistung der Sicherheit – ganz besonders momentan, da mobile Mitarbeiter besonders angreifbar sind. Sie nutzen oftmals ihre eigenen Geräte und heimischen Anwendungen, die nicht immer den professionellen Sicherheitsstandards des Unternehmens entsprechen.

Cyberkriminelle machen sich die Aufregung und Unsicherheit der Situation zunutze, um über die mobilen Mitarbeiter die Sicherheitskontrollen der Unternehmen zu umgehen. Im April berichtete der Gmail-Anbieter Google, dass pro Tag 18 Millionen Malware- und Phishing-E-Mails mit scheinbaren COVID-19-Themen blockiert wurden.

Benutzer mussten über die Bedrohungen informiert und über sichere Verhaltensweisen aufgeklärt werden. Viele Beschwerden, Fragen und Bedenken mussten bearbeitet werden.

IT-Fachleute mussten rund um die Uhr arbeiten, um die Leistungsfähigkeit und Sicherheit aufrechtzuerhalten angesichts von Architekturen, die nicht mal ansatzweise für den Datenverkehr einer globalen Pandemie ausgelegt waren.

Diese wichtigen Experten übernahmen auch Aufgaben, die weit über den Rahmen herkömmlicher Serviceangebote hinausging. Während Krankenhauskapazitäten für lebensbedrohlich an COVID-19 Erkrankte freigehalten wurden, suchten Patienten mit anderen Gesundheitsproblemen nach Wegen, wie sie Informationen und Behandlung bekommen.

Medizin-IT-Spezialisten bauten Strukturen für die Telemedizin auf, so dass Patienten in Quarantäne bleiben und dennoch per Videoanruf ihren Arzt konsultieren konnten. Der durch die Krise ausgeübte Druck zwang sie zur Innovation und beschleunigte das Finden kreativer neuer Wege zur Aufrechterhaltung der Versorgung und Unterstützung ihrer Kollegen.

Manche Medizin-IT-Experten nutzten 3D-Drucker, um für die Einsatzkräfte an vorderster Front Maskenteile herzustellen. Not macht bekanntlich erfinderisch.

Rechenzentren – riesige Hallen mit Servern, die die moderne Geschäftswelt am Laufen halten – wurden nun besonders wichtig. Manche werden denken, dass Rechenzentren weitgehend automatisch arbeiten, aber diese großen Standorte voller komplexer Geräte müssen gewartet, repariert und instandgehalten werden.

In der Vergangenheit wurde die Belegschaft solcher Zentren oftmals bis auf Minimalbesetzungen heruntergefahren – und plötzlich mussten sich die Wenigen um eine massiv gestiegene Nachfrage nach den begrenzten Ressourcen kümmern. Während der Pandemie schränkten manche Rechenzentren den Zugang für Personen Lockdown-bedingt ein; diese Entwicklung hat die Umstellung auf Cloud-basiertes Arbeiten und die allgemeine Digitalisierung der Netzwerke vieler Unternehmen noch beschleunigt.

Weil in den Städten viele Türen geschlossen blieben, verließ man sich noch mehr auf das Internet, um mit der Außenwelt in Kontakt zu bleiben. Internetknoten meldeten Rekordauslastung. Der Internetknoten DE-CIX in Frankfurt konnte auch angesichts eines Weltrekord-Datenaufkommens von 9,1 Terabit pro Sekunde den Service aufrechterhalten.

Obwohl also dieser Sektor unbestritten von kritischer Bedeutung ist, dauerte es bis Ende März, bevor die britische Regierung die Beschäftigten im Sektor Informationstechnologie und Dateninfrastruktur als systemrelevant einstufte. Am selben Tag veröffentlichte auch die US-Heimatschutzbehörde Cybersecurity and Infrastructure Security Agency (CISA) einen Leitfaden, in dem sie die große Bedeutung von Rechenzentrumsmitarbeitern als „wesentliche und unverzichtbare Infrastrukturkräfte“ unterstrich.

Der Stress hinterlässt Spuren. Eine australische Umfrage vom Mai 2020 ergab, dass 17 Prozent der Mitarbeiter im Gastgewerbe und 24 Prozent der Mitarbeiter im Einzelhandel über hohe psychische Belastung klagten, und im IT-Bereich waren es sogar 37 Prozent, die eine Belastung durch Stress und Angstgefühle angaben.

Eine andere Umfrage, die von der IT-Firma Core im Mai veröffentlicht wurde, zeigt, dass 78 Prozent der IT-Mitarbeiter zu wenig Schlaf bekommen, wodurch das Risiko, Fehler zu machen, steigt. 29 Prozent der Befragten fanden ihren Job zu stressig und 71 Prozent gaben sogar an, dass sie weniger als zwei Stunden echte Erholungszeit pro Tag hätten. In Großbritannien wurden viele selbstständige IT-Unternehmer bei der Verteilung von Hilfsgeldern der Regierung vergessen und sind nicht in der Lage, notwendige finanzielle Hilfen zu beantragen.

Mike Campfield, ExtraHop

„IT-Fachleute mussten rund um die Uhr arbeiten, um die Leistungsfähigkeit und Sicherheit aufrechtzuerhalten angesichts von Architekturen, die nicht mal ansatzweise für den Datenverkehr einer globalen Pandemie ausgelegt waren.“

Mike Campfield, ExtraHop

Sie waren zu Beginn der Krise die letzten, die die Büros verließen, und werden nach den Lockerungen die ersten sein, die wieder an Bord sind. Es besteht überhaupt kein Zweifel: IT-Fachleute sind systemrelevant.

Das Ende der globalen Gesundheitskrise und der weltweiten Rezession ist noch nicht in Sicht. Für unbestimmte Zeit wird Home-Office und mobiles Arbeiten unseren Arbeitsalltag bestimmen und wir verlassen uns dafür auf IT-Fachexperten, die dafür sorgen, dass der Laden läuft und Unternehmen in unsicheren Zeiten miteinander verbunden bleiben.

Die Unternehmen beginnen zu erkennen, wie wichtig, ihre IT-Abteilungen sind. Laut einer aktuellen Umfrage der britischen Handelskammer und des Portals Totaljobs haben sich in den vergangen Wochen die Stellenangebote für IT-Jobs vervielfacht. Im jährlichen Arbeitsmarktklima-Index auf CWJobs gaben 49 Prozent der IT-Entscheider an, dass ihrer Meinung nach Unternehmen aufgrund der Krise ihre Technologiebudgets erhöhen werden.

In der globalen Pandemie sind unsere Definitionen dessen, was wesentlich ist und was nicht, deutlich geschärft worden. Hoffen wir, dass in Zeiten vorsichtiger Lockerungen auch die IT-Fachleute zu ihrem Recht kommen.

Über den Autor:
Mike Campfield ist Vice President, General Manager International and Global Security Programs bei ExtraHop.

Die Autoren sind für den Inhalt und die Richtigkeit ihrer Beiträge selbst verantwortlich. Die dargelegten Meinungen geben die Ansichten der Autoren wieder.

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