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Was künstliche Intelligenz für das Arbeitsrecht bedeutet

Der zunehmende Einsatz von KI-Systemen beeinflusst nachhaltig das moderne Arbeitsleben. Das bedeutet, dass arbeitsrechtliche Regelungen neu betrachtet und angepasst werden müssen.

Die Arbeitswelt erlebt derzeit einen drastischen Wandel, der sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer vor neue Herausforderungen stellt. Dabei spielen nicht nur die Verbreitung hybrider Welten oder gänzlich extern arbeitenden Angestellten, sondern auch technische Entwicklungen. Einer der größten Faktoren, die ein Umdenken unserer Arbeitsumgebungen und vor allem auch unserem Arbeitsrecht erzwingt, ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI).

Diese selbstlernenden Systeme lassen sich auch in Bereichen der Personalabteilung und Arbeitsplanung einsetzen, was aber unweigerlich arbeitsrechtliche Fragen, wenn nicht Bedenken aufwirft. Basierend auf einem Webinar der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft (Dr. Astrid Schnabel, Dr. Isabel Schäfer) haben wir hier einige Punkte zusammengetragen, auf die künstliche Intelligenz Auswirkungen hat und haben wird. 

Mögliche Einsatzszenarien 

Es gibt verschiedene Einsatzoptionen für künstliche Intelligenz im Personalbereich und in einigen kommen entsprechende Lösungen bereits zum Einsatz. Ein Beispiel für die KI-Nutzung ist das algorithmische Management. Dazu gehört unter anderem die Sammlung von Datenmengen in Verbindung mit dem Einsatz von intelligenten Algorithmen und digitalen Technologien zur Verwendung bei der Einstellung, beim Leistungsmanagement, zur Entscheidungsfindung und Einsatzsteuerung.

Ein weiteres Exempel sind Assistenzsysteme, mit denen Datenmengen gesammelt, intelligent aufbereitet und weiterentwickelt werden, um die Arbeitsabläufe zu unterstützen und/oder menschliche Arbeitskraft zu ersetzen. Konkret lassen sich damit im Finanzbereich und Controlling Vertragsanalysen, Compliance-Überwachung oder Due Diligence umsetzen oder Bewerber automatisch auswerten (Screening).

Nicht immer transparent in den Unternehmen kommuniziert, ob und welche Lösungen zum Einsatz kommen. Eine Umfrage der UNI Europa zum Thema algorithmisches Management belegt, dass ein Drittel der befragten Arbeitnehmer nicht wissen, ob an ihrem Arbeitsplatz ein entsprechendes Tool eingesetzt wird. Allerdings vermuten viele bereits, dass KI-Systeme für personal- und arbeitsbezogene Zwecke genutzt werden. 

In der Umfrage gaben 52 Prozent der Umfrageteilnehmer an, dass sie es für wahrscheinlich halten, dass automatisierte Bewertungssysteme zur Leistungsbeurteilung zum Einsatz kommen. Ebenso sicher waren sich 47 Prozent der Arbeitnehmer, dass Software die physischen und digitalen Aktivitäten am Arbeitsplatz verfolgt und überwacht. Des Weiteren sind 38 Prozent der Befragten überzeugt, dass die Planung von Schichten über KI-Systeme erfolgt. Weitere Ergebnisse sind in der Abbildung 1 dargestellt.

Abbildung 1: Viele Arbeitnehmer wissen nicht wirklich, ob und welche KI-Systeme am eigenen Arbeitsplatz zum Einsatz kommen.
Abbildung 1: Viele Arbeitnehmer wissen nicht wirklich, ob und welche KI-Systeme am eigenen Arbeitsplatz zum Einsatz kommen.

Weitere Einsatzszenarien können die strategische Einsatzplanung und die Automatisierung in Lagern sein. Das schafft Effizienzen in Unternehmen, da hier die Ressource Mensch optimal gesteuert und eingesetzt wird.

Betroffene Bereiche des Arbeitsrechts

Aufgrund des vermehrten Einsatzes von KI-Lösungen im Arbeitsumfeld stellen sich viele arbeitsrechtliche Fragen, denen sich Arbeitgeber, Betriebsräte und Gewerkschaften gegenübersehen. Einige davon sind zwar nicht neu, werden aber durch die neuen Umstände wieder in den Fokus gerückt. Zu den Fragestellungen gehören unter anderem:

  • Wer übt Arbeitgeberfunktionen aus: Mensch vs. Maschine
  • Mitbestimmungsrechte des (Gesamt-)Betriebsrates
  • Arbeitsschutz beim Einsatz neuer Arbeitsmittel
  • Diskriminierungsschutz und AGG
  • (Arbeitnehmer-)Datenschutz

Es liegt auf der Hand, dass aufgrund der sich ändernden Arbeitsverhältnisse die Gesetze hier an eine neue Wirklichkeit angepasst werden müssen, beispielsweise im Zuge des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes. Die einzelnen Fragen werden im Folgenden beleuchtet.

1. Arbeitgeberfunktion und Weisungsrecht

Generell gilt natürlich weiterhin, dass der Arbeitgeber das Weisungsrecht hat. Er kann den Inhalt, Ort und die Zeit der Arbeitsleistung festlegen, soweit diese nicht anders geregelt sind (§ 106 S. 1 GewO). Er muss aber nach billigem Ermessen entscheiden. (Billiges Ermessen: Die Leistungsbestimmung eines Arbeitgebers entspricht dann billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind.) Die Einräumung des Ermessens soll Einzelfallgerechtigkeit und Flexibilität ermöglichen.

So wie das fachliche Weisungsrecht auch auf einen Dritten, zum Beispiel eine nachgelagerte Führungskraft, übertragen werden kann, so ist dies auch auf ein KI-System möglich. Dies kann aber mit hohen Risiken einhergehen. Es ist fraglich, ob eine Anweisung einer künstlichen Intelligenz ohne umfassende Interessenabwägung billig sein kann. Das wiederum kann das Risiko der Nichtbefolgung einer unbilligen Weisung zur Folge haben. Kommt es allerdings auf das Resultat an, begründet die Tatsache, dass die Weisung von einem KI-System kam, keine Unbilligkeit. Mitarbeiter könnten trotzdem Einwand erheben (Remonstration), wenn ihnen die Weisung nicht valide erscheint, was wiederum Prozesse verlangsamt und der Automatisierung entgegenwirkt.

Es gibt zudem ein Verbot automatisierter Entscheidungen mit rechtlicher Wirkung, das den Einsatz von KI-Systemen beschränkt. Fokus liegt hier darauf, dass Maschinen nicht über Menschen entscheiden sollen (Art. 22 Abs. 1 DSGVO). Selbiges Verbot steht der Weisungserteilung durch den Arbeitgeber aber nicht entgegen, denn sie ist eine Konkretisierung der Arbeitspflicht ohne Veränderung der Rechtsposition des Arbeitnehmers und fällt somit nicht unter den erwähnten Artikel. Eine Möglichkeit, Probleme bei den Weisungen zu verhindern, wäre der Einsatz einer Kontrollinstanz, die die letzte Entscheidung trifft.

Es gibt weitere Probleme in diesem Bereich, die durch die Nutzung durch ChatGPT entstehen. Da dies derzeit noch nicht arbeitsrechtlichen Regelungen unterliegt, wird dieser Punkt hier nicht betrachtet.

2. Mitbestimmung des Betriebsrates

Der Betriebsrat hat ein grundlegendes Mitbestimmungsrecht, wenn technische Lösungen für die Überwachung der Leistung und des Verhaltens von Arbeitnehmer eingeführt und genutzt werden sollen. Dies dient dem Schutz des Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG). Dabei spielt es keine Rolle, ob der Arbeitgeber die Kontrolle von Leistung und Verhalten mittels KI bezweckt oder tatsächlich umsetzt; entscheidend ist die objektive Eignung des KI-Systems zur Überwachung. Die Rechtsexperten schätzen ein, dass KI-Lösungen zur Verwendung in Unternehmen unter § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG fallen werden, soweit ein individueller Rückbezug möglich ist.

Wenn ein System mit künstlicher Intelligenz zu grundlegend neuen Arbeitsmethoden und Fertigungsprozessen führt sowie eine bestimmte Anzahl an Mitarbeitern betrifft, dann kann es zu einer Betriebsänderung (§ 111 Satz 3 Nr. 5 BetrVG) kommen. Kommt es dazu, müssen Betriebsrat und Arbeitgeber einen Interessenausgleich und Sozialplan aushandeln. Eine Mitbestimmung liegt auch vor, wenn eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt oder Arbeitsschutzmaßnahmen gewählt werden sollen (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG). Der Betriebsrat kann auch mitreden, wenn es um die Ordnung des Betriebs oder das Arbeitnehmerverhalten geht.

3. Arbeitsschutz

Wenn KI-Systeme eingesetzt werden, kann dies die Mitarbeiter erheblich unter Zeit- und Leistungsdruck setzen, was wiederum physische und psychische Auswirkungen haben kann. Deswegen muss im Rahmen des KI-Einsatzes auch auf dem Arbeitsschutz geachtet werden. Einige Maßnahmen können dem entgegenwirken, beispielsweise die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung (§ 5 ArbSchG) bei der Einführung neuer Arbeitsmittel oder -prozesse sowie die Einrichtung erforderlicher Arbeitsschutzschritte (menschliche Intervention).

4. Diskriminierungsschutz und Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Wie einige Fälle bereits belegt haben, ist auch eine künstliche Intelligenz nicht vor Fehlentscheidungen oder Vorurteilen gefeit. Das liegt in den Lerninformationen und Trainingsprozessen begründet. Ein prominentes Beispiel für die Fehlentscheidung eines KI-Systems ist die KI-Rekrutierungssoftware, die Amazon benutzte. Aufgrund der Auswertung historischer Daten (10 Jahre), die mehr Männer als Bewerber für technische Positionen anzeigten, schloss die KI daraus, dass sich nur Männer für diese Jobs bei Amazon eignen. Aufgrund der Automatisierung und des automatischen Aussortierens von Bewerbungen, in denen ein Begriff auf weibliche Eigenschaft schließen lässt, wurden Bewerberinnen aussortiert. 

Dieses Beispielfällt natürlich unter Diskriminierung und Amazon verabschiedete sich auch von dieser Software, aber es verdeutlicht, dass KI nicht unfehlbar und eine Kontrollinstanz notwendig ist. Weitere Probleme in diesem Bereich sind:

  • Bei Automatisierung dauert es, bis die Wirkung erkannt wird (alles aus einer Hand) 
  • Höhere Auswertungstiefe und -reichweite
  • Annahme, dass Systeme nicht diskriminieren
  • Neues Training zeitintensiv

Darüber hinaus ist es ein Problem, dass der realistische Nutzen einer KI erst durch enorm umfangreiche Datensätze zu erzielen ist. Dieser kann sich aber nicht nur auf Unternehmensdaten beziehen und zu verzerrten Resultaten führen, da sich interne Prozesse und Ansichten über Jahre verändern. Verhaltensrichtlinien für Mitarbeiter können hier helfen entsprechende Kontrollen einzurichten.

5. Gesetzliche Neuerungen

Generell besteht das Problem bei der Findung neuer Gesetze, dass es keine allumfassende und allgemeingültige Definition für künstliche Intelligenz gibt. Trotzdem gibt es bereits einige bestehende Reglungen sowie Neuerungen beziehungsweise Erweiterungen. 

So ist der Betriebsrat bei der Durchführung seiner Aufgaben nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber berechtigt, Sachverständige hinzuzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist (§ 80 Abs. 3 S. 1 BetrVG). Diese Vorgabe wurde insofern erweitert, dass die Hinzuziehung eines Sachverständigen insoweit als erforderlich gilt, wie der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben die „Einführung und Anwendung von künstlicher Intelligenz“ beurteilen muss (§ 80 Abs. 3 S. 2 BetrVG). Soll also eine KI zum Einsatz kommen, deren Auswirkungen nicht absehbar sind, kann der Betriebsrat sich Expertenhilfe holen. 

Das soll Betriebsräten vereinfachten und schnelleren Zugriff auf besondere Sachverständige ermöglichen, da der betriebliche Einsatz von KI sowohl rechtliches Grund- und Spezialwissen als auch ein anspruchsvolles technisches Wissen verlangt.

Darüber hinaus muss der Arbeitgeber den Betriebsrat über die Planung von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen einschließlich des Einsatzes Künstlicher Intelligenz zu informieren (§ 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG). Ein Mitbestimmungsrecht hat der Betriebsrat auch bei der Festlegung der Auswahlrichtlinien, wenn dabei KI genutzt wird.

Es ist zu erwarten, dass weitere rechtliche Regelungen, Erweiterungen und Neuerungen zum Thema KI und Arbeitsrecht zu erwarten sind. Es ist wahrscheinlich, dass der geplante AI Act der EU dabei eine große Rolle spielen wird und durch erste festgelegte Vorgaben die Veränderungen der Rechtslage beeinflusst.

Herausforderungen und Potenzial

Es steht außer Frage, dass künstliche Intelligenz zwar großes Potenzial für Unternehmen bietet, aber auch ebenso viele Herausforderungen und Probleme in Bezug auf das Arbeitsrecht erzeugt. An dieser Stelle sollen nur einige genannt werden.

So brauchen KI-Systeme beispielsweise riesige Datenmengen, um wirklich effizient arbeiten zu können. Dabei kann es sich auch um persönliche Informationen handeln. Firmen müssen sicherstellen, dass die Privatsphäre und der Schutz personenbezogener Daten gewährleistet ist.

Wie bereits erwähnt, ist es durchaus möglich, dass KI-Lösungen diskriminierende, vorteilsbehaftete oder unbilligeEntscheidungen treffen. Hier müssen Kontrollinstanzen zwischengeschaltet werden und dem entgegenwirken. 

Darüber hinaus gibt es seit geraumer Zeit die Befürchtung, dass KI zum Verlust von Arbeitsplätzen führt, da diese sich in einigen Bereichen ersetzen lassen. Das liegt daran, dass KI für Firmen die Effizienz steigern und Arbeitskräfte- oder Wissensmangel ausgleichen kann. Allerdings werden durch KI auch einige neue Arbeitsprofile erschlossen. 

Aus Mitarbeitersicht kann KI entlasten, aber auch den Überwachungs- und/oder Zeit- und Leistungsdruck erhöhen.

All diese Faktoren müssen Unternehmen in Betracht ziehen, wenn sie künstliche Intelligenz einsetzen wollen. Auch wenn noch vieles rechtliche Grauzone zu sein scheint, so helfen doch bestehende Regelungen, um erste Schritte in die richtige Richtung zu unternehmen. Firmen, Betriebsräte und Arbeitnehmer müssen sich hier stets informieren und auf dem neusten Stand bleiben, damit kein Unrecht geschehen kann, unabhängig für welche Beteiligten.

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