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So reagieren Mainframe-Betreiber auf Anwendungsumstellungen

Unterstützen kritische Anwendungen keine Mainframes mehr, müssen Kunden reagieren. Wir haben mit dem Kirchlichen Rechenzentrum Südwestdeutschland über die Umstellung gesprochen.

Nicht alle Migrationen finden freiwillig statt. In vielen Rechenzentren gibt es Systeme, die über einen längeren Zeitraum gewachsen sind und deren Architektur von verschiedenen, externen Faktoren abhängt.

Wir haben mit Dr. Reiner Weick und Frank Schütze vom Kirchlichen Rechenzentrum Südwestdeutschland darüber gesprochen, wie sie ihre Mainframes umgestellt haben, um auf die Betriebssystemumstellung ihres Softwareanbieters zu reagieren.

Die Ausgangslage

Das Kirchliche Rechenzentrum Südwestdeutschland (KRZ-SWD) ist ein von einer Stiftung getragenes Rechenzentrum für Kirchen und deren Einrichtungen. Das Rechenzentrum gibt es bereits seit 1972, so dass viele gewachsene Strukturen vorhanden sind.

Eine der wichtigsten Dienstleistungen des Rechenzentrums ist das Personalwirtschaftssystem KIDICAP, über das viele kirchliche Einrichtungen ihre Lohnabrechnung und Personalverwaltung abwickeln. Das KRZ-SWD ist Servicepartner– das heißt, KIDICAP wird über das Rechenzentrum als Software-as-a-Service-Lösung (SaaS) angeboten.

Da KIDICAP aber schon vor einigen Jahren von z/VSE, dem Betriebssystem für Mainframes von IBM und Adabas, als Datenbanksoftware auf Linux mit Oracle umgestellt wurde, musste das Kirchliche Rechenzentrum Südwestdeutschland reagieren.

Vor der Migration nutzte das Data Center z14-Großrechner mit zwei Prozessoren (Central Processing Unit, CPU), die 1568 MIPS (Mega Instructions per Second) leisten konnten. Das reichte jedoch für das wesentlich CPU-hungrigere neue System nicht aus: „Frühere Programme waren darauf ausgerichtet, sparsam mit dem Hauptspeicher umzugehen, denn in Mainframes war er sehr teuer. Heute jedoch können Java und Oracle mit Rechenleistung verschwenderischer umgehen“, sagt Frank Schütze, Abteilungsleiter im IT-Mainframe- und Output-Management. Was folgte, war eine stufenweise Umstellung, die so wahrscheinlich vielen Rechenzentren bevorsteht.

Kostenabwägung: Mainframes umrüsten oder ersetzen?

Kostentechnisch wäre es keine kluge Entscheidung gewesen, auf ein x86-basiertes System umzustellen, denn jenseits der Hardware gibt es viele andere Faktoren, die in die Kosten hineinspielen. „Viele meiner Kollegen in ähnlichen Situationen haben mir das bestätigt. Die neue Hardware scheint erstmal der größte Kostenfaktor, doch da gibt es noch mehr Gesichtspunkte“, sagt Schütze. Eine x86-basierte Architektur bedeute nicht nur einen höheren Personalaufwand und verursache mehr Kosten für Server, sondern sie hätte auch die Lizenzen für Oracle verteuert, da diese nach Prozessoren abgerechnet werden.

Stattdessen hat das KRZ-SWD 16 sogenannte IFL (Integrated Facility for Linux) zugekauft. Dabei handelt es sich um nachrüstbare Prozessoren, dank derer Linux auf IBM-Z-Maschinen laufen kann. Jeder einzelne IFL liefert nach Angaben des Kirchlichen Rechenzentrums 1584 MIPS. Damit kann das System nun die viel leistungshungrigere Datenbank bedienen und SQL-Abfragen bewältigen.

Das KRZ-SWD bearbeitet fast jede Nacht Abrechnungen für bis zu 70.000 Fälle und nebenher laufen konstant Prüfungen. Kunden erwarten, dass die Berechnung über Nacht abgeschlossen ist. „Wir sind zufrieden mit KIDICAP auf den umgerüsteten Mainframes mit SUSE“, sagt Schütze, „die Anwendungen laufen genauso performant wie vorher auf der alten Architektur, und die Batch-Verarbeitung hat sich sogar beschleunigt.“

Der Migrationsprozess

Der Migrationsprozess dauert im Kirchlichen Rechenzentrum Südwestdeutschland aus mehreren Gründen ungefähr ein halbes Jahr. Da sind zum einen Kunden, die bereits seit den 90ern Daten im Rechenzentrum hinterlegen, was nicht nur sehr große Datenmengen bedeutet, sondern dass das Rechenzentrum erst mit ihnen in Kontakt treten musste, um abzuklären, was auf das neue System verlagert und was eventuell gelöscht werden soll.

Zum anderen hat das KRZ-SWD auch eigene Anwendungen neben KIDICAP, zum Beispiel für das kirchliche Meldewesen, die ebenfalls migriert werden müssen. Zudem gab es einige selbst programmierte Funktionen für KIDICAP, deren Dokumentation die Mitarbeiter durchsuchen mussten, um zu entscheiden, welche davon sie ebenfalls migrieren sollten – teilweise in Zusammenarbeit mit dem Kunden.

Frank Schuetze, Kirchliches Rechenzentrum Suedwestdeutschland

„All die kleinen Arbeiten, die wir historisch am System vorgenommen haben, mussten wir auffinden und evaluieren. Hier etwas zu übersehen, war der größte Fallstrick im Migrationsprozess.“

Frank Schütze, Kirchliches Rechenzentrum Südwestdeutschland

Das Rechenzentrum hat sich für die Anwendungsmodernisierung einen externen Dienstleister ins Haus geholt. Das bedeutet zwar zusätzliche Ausgaben, aber auch hier gilt es abzuwägen: denn je länger die Migration dauert, desto länger muss das Rechenzentrum zwei Systeme zeitgleich betreiben und die Lizenzen dafür bezahlen.

Das KRZ-SWD hat im Sommer 2020 mit der Migration kleinerer Kunden begonnen und möchte bis zum März 2021 die letzten, großen Kunden auf das neue System umstellen. „Pro Woche schaffen wir vier bis acht der kleineren Kunden“, sagt Schütze. Die Migration wird mit den Kunden vorab besprochen und am Wochenende durchgeführt.

Fazit

Muss ein Rechenzentrumsbetreiber weg von den angestammten Mainframes, kommt er nicht um eine Anpassung der Hardware herum und muss mit beträchtlichen Kosten rechnen, die sich gegenseitig bedingen. Mehr Hardware bedeutet mehr Verwaltungsaufwand, mehr Lizenzen und mehr laufende Infrastrukturkosten.

Hier ist Vorbereitung alles, und das Kirchliche Rechenzentrum Südwestdeutschland hatte nach der Ankündigung von KIDICAP einige Jahre Zeit, den Wechsel zu planen. Dazu gehört nicht nur die Entscheidung für und wider Ergänzungen an der Hardware, sondern auch die Wahl eines geeigneten Betriebssystems, das Sichten und Planen von vorhandenen und zukünftigen Lizenzen, die Kommunikation mit den Kunden und vor allem eine kontinuierliche Dokumentation, die im Ernstfall Mitarbeitern viele Arbeitsstunden sparen kann – und damit bares Geld.

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